Lebendige GEschichte
Anna Sophia, Tochter eines Apothekers, hilft diesem in der Apotheke, berät abseits der Schulmedizin viel in Sachen "Heilpflanzen" und stellt ihre eigenen Kräuterbonbons her. Als der Geselle ihres Vaters um ihre Hand anhält, stellt sie jedoch seine Motive in Frage und verdächtig ihn, ihren Vater zu vergiften, um die Apotheke zu übernehmen. Denn auch Franz Stollwerck möchte Anna Sophia zur Frau nehmen ....
Rebekka Eder hat es sich zum Ziel gemacht, die Geschichte der berühmten Firma Stollwerck auf unterhaltsame Weise ihren Lesern näherzubringen. Doch hier gibt es ein kleines Manko, denn der vorliegende gesamte 1. Band handelt noch in keinster Weise auf seinen 656 Seiten von Schokolade im Allgemeinen, sondern diese taucht erstmals auf der letzten Seite auf - und so muss ich zugeben, dass meine diesbezügliche Erwartungshaltung enttäuscht wurde.
Nichtsdestotrotz ist die Saga gut und flüssig geschrieben, so dass ich nur so durch die Seiten flog. DIe wechselnden Erzählperspektiven brachten verschiedene Sichtweisen zum Ausdruck und rundeten die Geschichte ab, verwirrten jedoch auch manchmal ein bisschen, weil sie teilweise doch sehr von der eigentlichen Geschichte abwichen.
Dass Rebekka Eder wahnsinnig viele Themen in ihr Werk eingebracht und mit viel Liebe kleinste Details ausgearbeitet hat, bringt zahlreiche eigene kleine Spannungslinien hervor, die ich mit großem Interesse verfolgt haben; allerdings hätte man hier auch manchmal etwas straffen können, um die eigentliche Geschichte voranzutreiben und den roten Faden nicht aus den Augen zu verlieren.
Der Schausplatz Köln im Jahr 1838 wird überaus lebhaft und anschaulich dem Leser vorgestellt und ich konnte mich sehr gut in das Setting hineinversetzen. Interessant waren hier auch die Geschichten vom Bau des Kölner Doms und der beteiligten Arbeiter. Überhaupt kommt das Lebensgefühl des 19. Jahrhunderts in seinen verschiedenstens Formen sehr schön zum Ausdruck und auch literarische Anklänge sind zu finden - hierin liegt die große Stärke der Saga!
Ein wenig überfordernd empfinde ich die große Anzahl an Figuren; neben den Haupt-Protagonisten erfahren wir viel über weitere Personen, die fast schon ein eigenes Buch verdient hätten wie beispielsweise Anna Sophias Schwester. Glücklicherweise findet sich am Ende des Buches ein Personenverzeichnis, das auch Hinweis darauf gibt, welche Figuren historisch real und welche der Fantasie der Autorin entspringen; mir gefällt es sehr zu wissen, wenn ich aus einem Buch tatsächliche Historie lernen kann.
Allerdings tat ich mich ein wenig schwer mit einzelnen Figuren; mit keiner konnte ich wirklich uneingeschränkt mitgehen, es gibt wirklich viele "Bösewichter" und Franz fand ich absolut unsympathisch. Anna Sophia ist auch nicht die "starke Frau", als die ich sie erwartet hatte, sondern einfach noch zu naiv und verrennt sich gerne in Dinge.
Alles in allem hat mir das Buch Vergnügen bereitet und mein Interesse an den Folgebänden geweckt, denn ich möchte nun unbedingt wissen, wie es nun zu den wirklichen Anfängen der Firma Stollwerck gekommen ist!
Wer sich nicht allzu sehr auf die Kerngeschichte der Stollwerck-Familie versteift, sondern Interesse an einem mitreißend gezeichneten Bild Zeitgeschichte hat, wird mit diesem Buch voll auf seine Kosten kommen - mir hat es jedenfalls sehr viel Freude bereitet!
Ich vergebe ein "sehr gut" (was vier Sternen entspricht).