Heimliche Erfinderin
Dies ist der zweite Teil der Stollwerck-Saga, jedoch kann er auch unabhängig vom ersten Teil gelesen werden. Vorwissen kann jedoch nicht schaden.
Die Kinder Anna Sophias sind Erwachsen geworden und die Stollwercksche Fabrik läuft gut. Da wird es höchste Zeit, die Söhne zu verheiraten. Eine geeignete Kandidatin scheint die Nachbarstochter Apollonia Krusius zu sein. Doch diese denkt eigentlich gar nicht ans Heiraten, wurde sie doch von ihrem verstorbenen Vater stets als Wunderkind bezeichnet und naturwissenschaftlich erzogen. Mit der Zeit kommt die Liebe ins Spiel; es stellt sich nur die Frage, ob diese Liebe auch den Deutsch-Französischen Krieg und Apollonias Drang, Maschinen zu erfinden, standhalten kann.
Die Schreibweise ist flüssig und gut verständlich. Die Geschichte ist in verschiedene Abschnitte unterteilt, die jeweils davor eine kurze Anmerkung des zeitliches Rahmens haben. In den Kapiteln an sich kommen diese Jahreszahlen leider nicht mehr vor und so war ich teilweise von den Übergängen etwas verwirrt und wollte immer nachrechnen, was nicht gut funktionierte. Entweder, man gibt einen genauen zeitlichen Rahmen, wofür ich mir dann mehr Angaben wünschen würde, oder man lässt es ganz weg; so war es für mich jedenfalls unrund.
Es gibt sehr viele Handlungsstränge und einige Fäden aus dem ersten Band finden nun zusammen. Generell haben nicht alle viel miteinander zu tun, aber das ist der Stil dieser Saga. Interessant ist auch, dass ein Teil der Geschichte nun auch in Übersee spielt und wir eine Kakaoplantage, das Leben auf einem Schiff und das Amerika zu dieser Zeit etwas kennenlernen.
Durch das Geheimnis Apollonias, aber auch noch andere Familienverstrickungen, kommt zwischendurch immer mal wieder Spannung auf. Eine Familiensaga hat m. M. aber auch nicht den Anspruch einer klassischen Spannungskurve, und daher passt es hier sehr gut zum Genre.
Ich liebe die Grundidee und das Sittenbild der Zeit. Was ich allerdings als etwas störend empfinde, ist die – aus meiner Sicht – sehr überspitzte Darstellung der Geschlechterrollen. Die Männer sind übergriffig und bestimmend und die Frauen schwach oder aufmüpfig. Keine Figur ist rein sympathisch, was generell in Ordnung ist, auch, wenn ich die ein oder andere Figur wirklich nicht leiden kann. Allerdings sind die „böseren“ Figuren nicht 100% nachvollziehbar. Mehr Facetten wären hier wünschenswert. Auch finde ich es schade, dass die Figuren aus dem ersten Band hier jetzt sehr blass wirken.
Apollonia ist, wie auch Anna Sophia, eine spannende Persönlichkeit und der Alltag in einer Fabrik wird sehr lebensnah dargestellt. Insgesamt wurde ich durch die gute Recherche, aber auch spannende Fiktion, sehr gut unterhalten und habe mit den Figuren mitgefiebert. Unterm Strich bin ich fast auf jeder Seite dankbar, in der heutigen Zeit zu leben. Ich vergebe 4 Sterne.