Turbulent, tiefgreifend und ebenso bedrückend wie befreiend
Erster Eindruck
Weiterlesen! Im ersten Kapitel nimmt Nathalie C. Kutscher die Ärztin Alexa Lawrence in den Fokus: verwöhnt, egozentrisch, zickig und – lesbisch. So scheint sich ein x-beliebiger Ärztinnenroman zu entwickeln, der von erotischen Beziehungen lebt. Doch falsch gedacht! Am besten legt man nach dieser Einleitung das Buch kurz zur Seite und verinnerlicht, dass die Hauptfigur treffender nicht charakterisiert werden kann. Aus dieser Erkenntnis und aus einer spannend geschilderten Handlung mit einem starken Appell an das Mitgefühl von uns gut situierten Lesern mit den Ärmeren ergeben sich die Konflikte und Abenteuer, die das Buch packend, lesenswert und sympathisch machen. Ab dem zweiten Kapitel zwingt der Roman zum Weiterlesen „am Stück“.
Inhalt
Alexa Lawrence, genannt Lexi, verzogene Arzttochter aus reichem Hause in Beverly Hills und selbst Assistenzärztin mit bester Karriereaussicht, gibt aus Trotz und Verzweiflung alles auf, als die Oberärztin ihre Liebe nicht erwidert. In einer Panikreaktion stürzt sie sich Hals über Kopf in ein Abenteuer, das sie durchaus hinter ihrer spontanen Entscheidung für ein soziales Jahr in einem südafrikanischen Krankenhaus vermutet. Dennoch erschüttert sie ihr erster Eindruck, und mit ihrer neuen Chefin Dr. Rachel Walker gerät sie sofort in Streit. Unterschiedlicher könnten ihre ethischen und beruflichen Auffassungen nicht sein. Allen Unterschieden und dem anfänglichen Zickenkrieg zum Trotz eint sie ihre Aufgabe: den Ärmsten der Armen ein wenig Lebensqualität wiederzugeben. Später tritt Rachels geheimes Wissen um eine Medikamentenmafia zutage und führt zur Katastrophe.
Schreibstil
Über allem liegt erotisches Knistern, da die Autorin ihren treibenden Figuren homoerotische Züge verleiht. Wut, Trotz, Verzweiflung und das Wechselbad zwischen Annäherung und Abweisung bestimmen neben einer spannenden Handlung den Schreibstil. Authentisch ist Kutschers Sprache nicht nur in den Dialogen. An den passenden Stellen wird schon geflucht oder geschimpft. Manchmal lautstark. Oder in der Selbstreflexion der Figuren still und erkennend. Literaturschaffende sprechen von der äußeren und der inneren Heldenreise. Die äußere bestimmt die Struktur der Handlung mit den großen und kleineren Spannungsbögen, die innere widmet sich der Charakterentwicklung. Mit lebendigen, flüssig zu lesenden Formulierungen schildert die Autorin soziale Gegensätze ebenso wie die Dramatik um die humanitäre Hilfe, diesem Bild Afrikas kann sich der Leser nicht entziehen. Neben der eindringlich beschriebenen Handlung legt sie großen Wert darauf, dass ihre Leserinnen und Leser der inneren Heldenreise große Aufmerksamkeit schenken: der Charakterentwicklung Lexis von der verwöhnten, karrieresüchtigen Zicke zur ernsthaften und engagierten Helferin. In einem Roman, der sich nicht zuletzt wegen des Geheimnisses um illegale Medikamententests zum Thriller steigert, ist der Blick auf die persönliche Reifung der Figuren alles andere als selbstverständlich. Hierfür gebührt der Autorin höchstes Lob.
Fazit
Mit „Kwa Zulu“ hält der Leser ein Buch in Händen, das ihm eindringlich das Bild vermittelt vom Gegensatz seiner heilen Welt – oder der, die noch mehr bietet in Bezug auf Glamour und Reichtum – zum sozialen Elend eines für ihn exotischen Kontinents. Ohne Gefühlsduselei öffnet ihm Nathalie C. Kutscher den Blick auf Notsituationen und die problembehafteten Versuche, Hilfe zu leisten. Für mich noch wichtiger war die Beobachtung, dass die Figuren so greifbar vor meinem geistigen Auge standen, dass mich ihre Schicksale berührten und ich mit ihnen mitfieberte – nicht nur, wenn ich auf ihre Aufgabe sah, sondern vor allem auf sie selbst. Neben den unterschiedlichen Aspekten von Liebesbeziehungen über die Welt der Ärzte und Kliniken bis hin zum Thriller empfehle ich „Kwa Zulu“ wegen des emotionalen Tiefgangs und dem erfrischenden Schreibstil jedem, der sich auch nur für eines dieser Genres begeistern kann.