Geschichte mit Märchenbezug: Größtenteils gelungen, am Ende verwirrend
„Was hier vor sich ging, war außergewöhnlich. Ein Wesen aus einem Märchen war aus dem Wald gekommen.“
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INHALT:
Sam hat ihr eintöniges Leben satt. Seit Jahren sitzt sie auf einer Insel im Nordwesten der USA fest, gemeinsam mit ihrer Schwester Elena und ihrer kranken Mutter. Die Arztrechnungen stapeln sich und sie kommen kaum noch über die Runden.
Nur ihr gemeinsamer Plan, nach dem Tod der Mutter, Haus und Grundstück der Familie zu verkaufen und woanders neu anzufangen, hält Sam über Wasser. Doch bis dahin müssen sie ihre Mutter pflegen und versuchen, deren Medikamente zu finanzieren.
Sam arbeitet im Bistro einer Fähre, die wohlhabenden Touristen Inselrundfahrten anbietet. Sie kocht Kaffee, gibt Gebäck aus und hat sich noch nie unsichtbarer gefühlt.
„Sam wartete darauf, dass sich ihr Leben änderte. Sie wartete schon sehr lange.“
Als eines Tages ein Bär auftaucht, trauen die Schwestern ihren Augen kaum. Während Sam skeptisch bleibt, findet Elena immer mehr Gefallen an dem mächtigen, faszinierenden Tier.
„Der Bär war gekommen und hatte Glück gebracht. Er war eine Majestät im Pelzgewand. Ohne ihn wüsste Elena nicht, was sie machen sollten. Der Bär war das einzig Gute, das sie hatten: ein Spuk, ein Gespenst, ein außergewöhnliches wildes Tier. Ein Besucher aus einem verzauberten Reich, eine Vision aus einer geheimnisvollen Welt.“
„Der Bär war hier, für eine kurze schöne Zeit, um ihnen beizubringen, das Leben zu lieben, und ihnen zu helfen, sich durchzuschlagen."
Doch das wilde Tier bringt nicht nur Gutes mit sich und schon bald stehen nicht bloß die Zukunftspläne der Schwestern auf der Kippe …
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MEINUNG:
Was für eine Lektüre! Ich habe sie relativ schnell verschlungen. Die Situation mit dem Bären bringt von Anfang bis zum Schluss Spannung in den Handlungsverlauf, sodass ich das Buch nicht unterbrechen konnte.
Es hätte ein Highlight werden können, ich mochte den bildlichen, eher ruhigen Schreibstil, sehr gerne. Ich konnte mir die Insel und auch die Fähre gut vor Augen malen und habe mich dort gerne aufgehalten. Mir gefiel die geheimnisvolle, melancholische und manchmal auch aufregende, beängstigende oder traurige Note.
Bereits vorne im Buch wird eine Sequenz aus Grimms Märchen „Schneeweißchen und Rosenrot“ zitiert. Daher bin ich davon ausgegangen, dass die Geschichte etwas damit zu tun haben könnte.
Und tatsächlich findet man Ähnlichkeiten und Verbindungen und an anderen Stellen fragt man sich, ob etwas wirklich geschehen ist und wie stark die Märchenkomponente hier und da mitschwingt.
Der Bär ist Segen und Fluch zugleich und steht für Veränderung, Hoffnung, Spannung, Lebendigkeit und eine willkommene Abwechslung im tristen Alltag der Schwestern. Gleichzeitig bringt er auch ein paar negative Auswirkungen mit sich, die ich nicht näher erläutern werde, um nicht zu spoilern.
Im Buch bleibt äußerst viel Interpretationsspielraum, ich grüble nach dem Lesen noch sehr lange über die verschiedenen Möglichkeiten der Auslegung und komme zu keinem Ergebnis, das sich komplett richtig anfühlt. Daher bleibe ich dabei: Das Ende lässt mich bedauerlicherweise verwirrt und ratlos zurück, auch wenn ich mir manche Deutungen vorstellen könnte – so wirklich überzeugt mich keine davon.
Schade, denn den Rest fand ich wirklich gelungen!
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FAZIT: Eine Geschichte mit Märchenbezug und viel Interpretationsspielraum, welche mir bis auf das Ende richtig gut gefallen hat. Leider lässt sie sich für mich zum Schluss nicht zufriedenstellend genug deuten, was letztendlich Einfluss auf das ganze Buch hat und zahlreiche Fragen aufwirft. Wer daran Freude hat: Go for it! Von mir gibt es 4/5 Sterne!
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C. N.: Krankheit, Sterben/ Tod