Unterhaltsame Familiengeschichte
Die Autorin Elisabeth Sandmann hat einen faszinierenden Familien- und Gesellschaftsroman veröffentlicht, dessen Handlung sich über einen Zeitraum von beinahe 80 Jahren erstreckt und der auf zwei Zeitebenen spielt.
London, 1992: Gwen, Mitte dreißig und frisch von ihrem Freund getrennt, kommt morgens vom Joggen in ihre Wohnung zurück, als sie einen Anruf ihrer betagten Tante Lily erhält. Lily möchte mit ihr und einer Freundin in die ehemalige DDR und von dort nach Polen reisen. Gwen hat eigentlich vor, gemeinsam mit ihrer Freundin Laura den bereits länger geplanten Urlaub in Italien anzutreten und ist vom Vorschlag der Tante wenig begeistert. Nach reiflicher Überlegung beschließt sie jedoch, Lily ihren Wunsch zu erfüllen und freut sich darüber, dass Laura mit von der Partie sein wird. Es wird nicht nur für Gwen eine emotionale Reise in die Vergangenheit.
In einem zweiten Handlungsstrang begegnen wir im Jahr 1918 der jungen Ella. Ihre Eltern sind arm, sie können kein weiteres Schulgeld mehr für ihre intelligente Tochter zahlen. So tritt Ella mit 13 Jahren eine Stelle bei Frau Huber an, die in Tölz eine Pension führt. Neben ihrer Tätigkeit beschäftigt Ella sich intensiv mit Kräuterheilkunde und geht wenige Jahre später für eine kaufmännische Ausbildung nach München. Anschließend tritt sie im legendären Hotel Schloss Elmau eine Stelle an, wo sie die junge und vermögende Ilsabé kennenlernt, die auf der Suche nach einem reichen Ehemann ist. Die beiden sehr unterschiedlichen Frauen werden zu Schicksalsfreundinnen.
Gwen, deren Mutter Marga bereits in Folge eines Unfalls verstorben ist, weiß wenig über die Geschichte ihrer Familie. Ihr Interesse wird jedoch geweckt, als sie die roten Tagebücher von Ella liest, die diese über mehrere Jahrzehnte hinweg geführt hat. Gwen taucht intensiv ein in Ellas Leben und stößt dabei auf dramatische Geheimnisse. Nach und nach gelingt es ihr mit Hilfe von Briefen, Fotos, der Tagebücher, und durch viele Gespräche die Familiengeschichte aus unzähligen kleinen Puzzleteilen zusammenzusetzen.
Der komplexe Familienroman, in den die Autorin auch viele historische Ereignisse hat einfließen lassen, hat mir gut gefallen. Zu Beginn bedarf es einer gewissen Konzentration, um sich die Namen der zahlreichen Personen und ihre Beziehung zueinander einzuprägen. Das Buch hat mich von Anfang an gefesselt. Es ist in angenehm klarer Sprache geschrieben und liest sich sehr flüssig. Die interessanten Charaktere sind authentisch und bildhaft gezeichnet. Es war spannend, Gwen bei ihrer Spurensuche und der Aufdeckung der Familiengeheimnisse zu begleiten. Meine absolute Lieblingsfigur war Ella, deren Lebensweg mich am meisten beeindruckt hat.
Ich habe die Geschichte gern gelesen und mich gut unterhalten gefühlt, allerdings fand ich, dass das Buch am Ende leider etwas ins Kitschige abdriftete.
Leseempfehlung für diese unterhaltsame Familiengeschichte!