Sie bewahren das musikalische Vermächtnis des Americana-Sounds und tragen eine attraktive Geborgenheit im Herzen: Romie liefern mit "Partysongs For The Downcast" einen idealen Soundtrack für sensitiv veranlagte Feingeister ab.
Das Herzstück jeder Komposition auf "Partysongs For The Downcast" ist der sauber abgestimmte, unwiderstehlich verlockende Gesang von Paula Klee und Jule Heidmann, die sich als Duo Romie nennen. Die beiden künstlerisch veranlagten Frauen lernten sich 2013 beim Musikstudium in Frankfurt am Main kennen und bemerkten schnell, dass sie über die gleiche Wahrnehmung verfügen, wenn es um die Vorstellung von klanglich umzusetzenden Emotionen geht. Das erste öffentlich präsentierte Resultat dieser Zusammenarbeit war die EP "Favourite Attic" in 2017. 2020 folgte mit "Trust In The You Of Now" das erste gemeinsame Album.
Auf dem zweiten Longplayer werden die Ladies von dem Gitarristen Tino Rühlemann, dem Organisten und Pianisten Aaron Poellet und dem Schlagzeuger Max Pfreimer, der auch für die transparent klingende Produktion und die dritte Singstimme verantwortlich ist, einfühlsam begleitet. Dieses Trio bildet die Band Safe Haven. Im Nachgang kamen für die Platte unter anderem noch Beiträge von Benjamin Fazlagic und Constanze van Deyk (Streichinstrumente), Matt Kelly von City & Colour an der Pedal-Steel-Gitarre, sowie Sitar-Klänge von Tony Clark und Harfen-Töne von Mikaela Davis dazu.
Der Eröffnungs-Track "And The Day Begins" lässt die glorreichen Zeiten des Westcoast-Rocks aus den End-1960ern und von Anfang der 1970er-Jahre auferstehen. Er pflegt einen sauberen, hingebungsvollen zweistimmigen Gesang, zeigt mit der Textzeile "So Long, Marianne" eine Referenz an Leonard Cohen an und bringt packenden Folk- und sanften Soft-Rock in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander. Sogar die kanadischen Cowboy Junkies, die für Viele eine Referenz-Band für eindringlich-virtuose Roots-Rock-Sounds sind, kommen beim Hören dieses lieblich-groovenden Songs, der sich inhaltlich um die Vermeidung von Eskalationen in einer schwierigen Partnerschaftssituation bemüht, in den Sinn.
Dass es eine heilsame Wirkung von Musik in dunklen Zeiten gibt, ist eine Grundüberzeugung der Musikerinnen. Sie hoffen, mit ihren Ausdrucksmöglichkeiten die bösen Geister oder eben die schwarzen Krähen fernhalten zu können. Zu oft mussten die Frauen allerdings mit ansehen, wie Freunde ihr gesundheitliches oder mentales Gleichgewicht verloren. Deshalb möchten sie mit der Kraft von positiven Schwingungen dagegenhalten. Die Ballade "Black Crows" verschmilzt den harmonischen Duett-Gesang der Damen zu einer perfekt verschmolzenen Einheit und zeigt sich abgesehen von einer engagierten, forschen, angriffslustigen E-Gitarren-Einspielung von einer ausgeruht-gelassenen Seite.
Auch "Auburn" lässt friedlich-entspannte Augenblicke entstehen und benötigt zur Verwirklichung dieser Stimmung eine lange Zeit nur die reinen Stimmen und eine akustische Gitarre. Später kommen als Begleitung noch cremig schwirrende Geigen und abschließend die kompakte Rhythmuseinheit nebst einer unaufdringlich zischenden Orgel dazu. Das Lied ist erfüllt von "Gedanken über das Erwachsen werden, das Heilen und das Loslassen falscher Glaubenssätze." Es geht auch darum, "das Leben wieder genießen zu lernen und um den unbedingten, tiefen Wunsch nach einem Neuanfang."
Für die Romantik in "Just Play The Part" ist ein weicher, schwelgender Pop-Anstrich verantwortlich, weshalb das Lied in seiner verschwenderisch sentimentalen, in sich ruhenden Form an Katie Melua denken lässt. Textlich wird bei diesem, sich um eine unerwiderte Liebe drehenden Song mit "Don`t Let Me Down" noch eine Referenz an die Beatles eingebaut.
Beim Namen "Penny Lane" denkt man auch unwillkürlich sofort an die Beatles. "Last Call For Miss Penny Lane" meint aber die Protagonistin aus dem Film "Almost Famous" von Cameron Crowe aus dem Jahr 2000, mit Kate Hudson als Penny Lane in einer Haptrolle. Ihr wird mit diesem optimistischen - nur in Nuancen an das kammermusikalische Vermächtnis der Fab-Four angelehnte Lied - ein behutsam vorgetragenes phonetisches Denkmal gesetzt.
Für "Oh, How" übernehmen eine knurrig rumorende, sich an Feedback-Momenten ergötzende E-Gitarre, monotone Trommeln, eine zwitschernde Sitar, eine fauchende Hammond-Orgel und im Abspann eine klirrende Harfe die instrumentelle Gestaltung und das die Richtung bestimmende Ruder. Dadurch gestaltet sich der Track wie ein melodisch ausgerichteter, gestrafft organisierter Psychedelic-Folk-Rock. Das Ergebnis sind rauschhafte Klänge ohne die üblichen improvisierten Überlängen.
Völlig verschüchtert, zurückhaltend und intim-fragil kommt "That I Am" daher und bringt die Botschaft mit, sich nicht aufgrund negativer Glaubenssätze das eigene Zutrauen zerstören zu lassen. Der Gesang von Paula und Jule ist sanft, sensibel und auf eine unwiderstehlich sympathische Art anrührend kitschig. Er wird sinnlich gehaucht und dabei mit Herzschmerz aufgeladen. Die Ausschmückungen von zwei akustischen Gitarren, Piano und Streicherklängen sind so dezent, dass sie kaum auffallen, aber dennoch effektiv zur getragenen Stimmung beitragen.
Der Ausspruch "Alas" bedeutet so viel wie "Ach!" Das Lied "Alas, Can You Help Me" klingt zerbrechlich, reduziert und traurig. Daneben ist es poetisch so stark aufgestellt, als wäre es ein bislang verschollener Leonard-Cohen-Song.
Das fünfeinhalb Minuten lange "Dust Upon The Stairwell" stellt die Sehnsucht nach den schönen, prägenden Phasen im Leben in den emotionalen Mittelpunkt. Das Stück läuft langsam und schwermütig gestimmt ab. Selbst die weitläufigen, harschen E-Gitarren-Soli klingen wie klagende, schmerzvolle Gesänge. Aber es ist eine konstruktive Melancholie, die geboten wird: Obwohl ein Grauschleier über den Klängen liegt, verbreiten sie dennoch eine erwartungsvolle Haltung.
Der sphärische, teils frei schwebende Abschluss-Track "All The Times That I Felt Lonely" macht Einsamkeit spürbar und kratzt dabei gefühlsmäßig an die Pforten einer süßlichen, manipulativen Sentimentalität. Die Space-Sounds setzen dabei den Blick in die Ewigkeit frei, die als Abgrund oder Erlösung empfunden werden kann.
Die Americana-Sound-Landschaft bietet ein weites Spektrum an Klängen. Daraus suchten sich Romie die für sie passenden Schwingungen und Strukturen heraus und ergänzten sie um persönliche Favoriten und Vorlieben. Auf diese Weise verschafften sie sich eine Lücke zwischen überlieferten Traditionen und gelebten Innovationen. Ein Glücksfall war dann noch, dass Kenneth Pattengale von den Milk Carton Kids für den End-Mix gewonnen werden konnte, wobei er noch geschmackvolle Verfeinerungen vornahm.
Wie feiern niedergeschlagene, bedrückte Personen Partys? Wahrscheinlich nicht unter vielen Menschen mit ordentlich Remmidemmi, sondern eher für sich, in Gedanken versunken und wenn es gut läuft, mit positiven, aufbauenden Emotionen, die aus der Musik heraus entstehen. In diesem Umfeld kann es guttun, Gleichgesinnte um sich zu haben oder sie zu spüren.
Und da kommt "Partysongs For The Downcast" von Romie ins Spiel. Die zehn Songs sind mitfühlend, aber nicht depressiv. Sie schmeicheln sich an, sind aber nicht banal-aufdringlich. Dann gibt es noch zupackende und zarte Bestandteile, die sich manchmal innerhalb eines Songs abwechseln und auf diese Weise für interessante Reibungen sorgen. Genau die richtige Mischung, um Gemütlichkeit und eine Erwartung an geistvoll-erhebende Klänge zu befriedigen.
Das Werk bietet so viel mehr als nur ein Musterkoffer für die Unterhaltung von betrübten Seelen zu sein. Die Platte ist darüber hinaus nämlich ein Labsal für jene Personen, die detailreiche, tiefenwirksame, intelligent arrangierte und originell eingespielte, an den Americana-Sound-Kosmos angelehnte Songs zu schätzen wissen. Man spürt in jeder Phase den Enthusiasmus, mit dem alle Beteiligten bei der Sache gewesen sind, um Augenblicke von unvergänglicher Schönheit und Qualität zu erschaffen.