Jackson C. Frank: Ein Pionier des melancholischen Folk
Die Biographie des Folk-Sängers JACKSON CAREY FRANK ist durchzogen von persönlichen Katastrophen und Rückschlägen, was sicher Auswirkungen auf seinen melancholischen Sound hatte, aber auch die Leidenschaft seiner Kunst geprägt hat. Ja, er hat den Blues erlebt und berichtet in seiner Musik von den Schattenseiten des Lebens, die sich bei ihm schon früh gezeigt haben. Als Kind erlitt er bei einem Feuer in seiner Schule schwere Verbrennungen. Ein Heizkessel war explodiert und es wurden dabei 15 Mitschüler getötet. Jackson lag nach dem traumatischen Vorfall 7 Monate im Krankenhaus und lernte in dieser Zeit Gitarre spielen. Große Einschnitte begleiteten sein weiteres Leben. Als sein einziger Sohn starb, litt er schon unter Depressionen. Dieser Vorfall warf ihn dann total aus der Bahn und er lebte danach jahrelang in der Psychiatrie oder auf der Straße. In dieser Zeit verlor er auch noch sein linkes Auge, weil er in die Schusslinie einer Schrotflinte geriet. 1999 starb er nach einem Herzinfarkt mit nur 56 Jahren.
Zwischendurch schien es so, als würde seine musikalische Karriere Fahrt aufnehmen können. Mitte der 60er Jahre zog er nach London und teilte sich dort mit dem ebenfalls grade ausgewanderten Folk-Sänger PAUL SIMON eine Wohnung. SIMON war es auch, der 1965 das jetzt als Wiederveröffentlichung vorliegende Album des damals 21jährigen Barden in weniger als 3 Stunden produzierte. Außer einem Achtungserfolg in Großbritannien schlug die LP trotz ihrer offensichtlichen Qualitäten keine großen Wellen. Aber andere Künstler – nicht zuletzt sein Zimmergenosse PAUL SIMON– wurden auf Basis seiner Ideen bekannt oder sogar berühmt.
Auch wenn der Vergleich inflationär gebraucht wird, macht er hier doch Sinn: JACKSON C. FRANK erlangt in seinen besten Momenten durchaus die Intensität eines NICK DRAKE. Das liegt zum Einen an der Qualität seines Materials und zum Anderen an der Art seines Gesangs. Wie DRAKE oder FRED NEIL oder auch TIM BUCKLEY dehnt er manchmal das letzte Wort eines Verses und erzeugt dadurch eine Schwingung, die seine Verbundenheit mit der Musik unterstreicht und betont. Man bedenke: Mr. Frank begleitet sich fast durchweg nur an der akustischen Gitarre. Nur auf YELLOW WALLS ist AL STEWART im Hintergrund zusätzlich an einer Gitarre zu hören. Ansonsten gibt es keine Begleitmusiker, keine Overdubs und keine Effekte. Da braucht man als Hörer Durchhaltevermögen, denn wenn die Songs nicht spannend präsentiert werden, tritt bei dieser Vorgehensweise leicht Langeweile auf. Der Gratmesser der Qualität ist in solch einem Fall also die Energie und Attraktivität des Gesangs sowie die Fähigkeit, Worte durch die sparsame Instrumentierung wirkungsvoll zu unterstützen. Vor allem ist es aber die Substanz der Kompositionen, die zählt. Da fehlt es bei JACKSON C. FRANK an nichts. Natürlich wirken die Songs bei Hörern, die eine Vollbedienung an unterschiedlichen Tönen gewöhnt sind, eher wie Demos. Es wäre wirklich interessant, die Lieder in Bandfassungen zu hören, aber sie verströmen auch so ihr sanftes, verführerisches Gift.
Zwar steht das Stück BLUES RUN THE GAME mit seiner bedeutsamen Innigkeit als Synonym für das Gesamtwerk des Künstlers, jedoch hat der vorliegende, beinahe untergegangene Schatz noch viel mehr zu bieten. Bis auf DON`T LOOK BACK werden alle Einspielungen von feinfühligem Gitarren-Picking umkränzt. Nur bei diesem Titel werden die Akkorde harsch angeschlagen und somit weist er aggressiv-angreiferische Momente aus. Es ist eben ein Protestsong. MILK AND HONEY gehört zu den lieblichsten Kompositionen des Folk-Genres und wird, wie alle Songs hier, mit dunkler Stimmung und ohne Zuckerguss präsentiert. Das ist Melancholie mit Haltung. MY NAME IS CARNIVAL sticht ebenfalls durch eine unwiderstehliche Melodie heraus. TIM BUCKLEYS Frühwerk hört sich wie von I WANT TO BE ALONE (DIALOGUE) und JUST LIKE ANYTHING beeinflusst an. Hört man YOU NEVER WANTED ME, muss man unwillkürlich an GORDON LIGHTFOOT denken und YELLOW WALLS scheint Pate bei NEIL YOUNG´s POCAHONTAS gestanden zu haben.
JACKSON C. FRANKs Einflüsse sind also omnipräsent. Er war demnach direkt und indirekt Wegbereiter für einige Songwriter. Bei NICK DRAKE ist das durch 4 Demos von J.C. FRANK-Songs belegt, die posthum auf FAMILY TREE veröffentlicht wurden. SANDY DENNY, mit der Jackson kurz liiert war und die durch seinen Zuspruch erst Profi-Musikerin wurde, nahm sein MILK AND HONEY auf. Ihre Trennung hat er im Song SHE NEVER WANTED ME reflektiert. PAUL SIMON hat zusammen mit ART GARFUNKEL eine schöne Version von BLUES RUN THE GAME vertont.
Die Debut-Aufnahmen von JACKSON C. FRANK gab es 2003 schon mal als Doppel-CD-Reissue, zusammen mit Songs, die in den 70er Jahren entstanden waren. Unverständlich, warum man bei dieser Wiederveröffentlichung darauf verzichtet hat, diese als Bonus mitzuliefern. Das schmälert natürlich in keiner Weise den Wert der vorliegenden Lieder. Diese gehaltvollen Kompositionen verdienen es auf jeden Fall, wiederentdeckt zu werden.