JIMI rockt die Hollywood Bowl anno '67
Gleich vorneweg: Das angebotene Teil ist für den Jimi-Hendrix-Aficionado natürlich ein Traumrelease und ein erwerbstechnisches Pflichtteil. Die obigen "Liner Notes" (sprich: der kommentierende Begleittext von jpc) zur angebotenen LP bzw. CD sind schon mal recht informativ. Ich knüpfe daran an. Eine Info fehlt in der Beschreibung: Wie steht es um die Klangqualität des Konzertmitschnitts, insbesondere für den nicht-obsessiven Normalfan, der nicht alles, wirklich alles von JIMI braucht (wie ich: ich brauche jeden aufgenommenen Ton, jede irgenwann einmal aufgenommene Note von JIMI, ist sie auch noch so uninspiriert gespielt und noch so dilettantisch konserviert worden (Zitat von Barry Graves und Siegfried Schmidt-Joos aus 1973)), aber auf High Fidelity und Wohlklang extremen Wert legt? Auf der Rückseite meines Gatefold-DigiPack-CD-Covers (inklusive einem Tray) steht unten kleingedruckt der Hinweis: "This album was not drawn from professionally recorded masters. It is instead a 2-track soundboard recording. As a result, it is not without an occasional sonic flaw. Nonetheless, these tapes represent the only known documentation of this performance." Also ein Two-track-soundboard-Mitschnitt? Klingt verheißungsvoll nach einer Stereo-Audio-Qualität. Die liegt hier aber nicht vor. Ich kann beim besten Willen und mit viel Kopfkinofantasie keine Stereo-Raumklang-Phonie wahrnehmen, auch nicht angestrengt über meinen Kopfhörer. Der Sound kommt für mich in Mono (sprich: monophon) daher. Zum Glück stechen die Vocals und des Hexenmeisters Elektrogitarre aus diesem Mono-Klangbrei deutlich hervor; im Falle von Jimi’s Gesang allerdings für meinen Geschmack zu deutlich und zu laut: zu sehr "up-front". JIMI's kongeniale Mitmusiker der EXPERIENCE (Mitch Mitchell und Noel Redding) gehen in dem (oft übersteuert-verzerrt klingenden) Rhythmussektionsklangbrei leider unter und kommen erst bei ihren Solo-Einlagen (etwa beim "Catfish blues") angemessen klanglich zur Geltung und zu Gehör. Ich würde aus den aufgeführten Gründen die Soundqualität in der Terminologie der Hot-Wacks-Verzeichnisse nur als "very good mono" bis "excellent mono" klasssifizieren, irgendwo dazwischen liegend, mit Tendenz zum Very-good-Mono. Die Publikumsreaktionen zwischen den Songs sind am Anfang des Konzerts praktisch nicht existent und fallen gegen Ende des Konzerts ausgesprochen spärlich aus. Das hat zum einen damit zu tun, dass die Bühnenmikrofone sie nur sehr leise-untersteuert und en passant aufgenommen haben. Der Hauptgrund ist aber ein anderer: Die versammelten Fans der Headliner The Mamas and The Papas und Scott McKenzie waren mit dem rauen, aggressiven, lauten Bühnenpowerplay der EXPERIENCE komplett überfordert. Sie waren gekommen, um seichtem Flower-Power-Folk-Pop mit schönen mehrstimmigen Vokal-(Gesangs-)harmonien und soften, eingängigen Melodien zu lauschen. Und dann DAS als Vorgruppe: das lärmige, laute EXPERIENCE-Power-Trio mit dem wilden Gitarrenhexenmeister aus Seattle. Zum Glück stören die Folk-Pop-Fans die explosive, noisige High-Energy-Rock’n’Roll&Blues-Darbietung nicht mit empörten Buh- und Aufhören!-Rufen. Sie verweigerten/unterließen nach den Songs einfach in der Mehrzahl den Applaus und guckten möglicherweise einfach nur blasiert und mit schmerzverzerrtem Gesicht aus der Wäsche - oder vielleicht sogar in einzelnen Fällen mit offenen Mündern, aus dem staunenden Unverständnis und Nichtbegreifenkönnen nicht herauskommend. JIMI und seine Band merken, dass ihre Musik nicht gut ankommt, reagieren aber trotzig in der Weise, dass sie sich ihren Frust mit umso rauerer, aggressiverer Energie von der Seele spielen. Insbesondere bei dem Muddy-Waters-Song "Catfish blues" ziehen sie alle Register der Distortionsoundeffekte und so richtig rau-wütend vom Leder. Von wegen, dem Publikum mit wohlklingenden, soften Versionen ihrer Songs entgegenkommen und sich bei ihm anbiedern: NO! JIMI verzichtet aber nach der letzten Nummer "Wild thing" darauf, seine Gitarre in Brand zu stecken sowie in Kleinholz, Elektronikmüll und Metallschrott zu zerlegen. Sonst hätte es womöglich doch noch Buhrufe und Pfiffe zum Abschluß gegeben. In den späteren Jahren werden natülich alle, die JIMI’s Bowl-Performance gesehen und gehört haben, stolz davon berichtet haben, dass sie JIMI HENDRIX schon ganz früh bei einem seiner ersten Auftritte in den USA erlebt haben. Klar! - Der legendäre Auftritt beim Monterey Pop Festival lag an diesem 18. August 1967 in der Hollywood Bowl übrigens genau 2 Monate zurück. Der Pennebaker-Film über dieses Festival kam erst am 26. Dezember 1968 (Ende 1968, so gut wie 1969 also!) in die US-Kinos. Wer also damals von den Konzertbesuchern nicht 2 Monate zuvor auch in Monterey dabei war, wußte womöglich noch gar nichts an diesem 18. August vom ruhmreichen, später so verklärten US-Debüt der EXPERIENCE in Monterey vom 16. Juni. Nach Monterey folgte ja bekanntlich die Rohrkrepierer-Tour mit den Monkees, bei der sie als Vorgruppe agierten und neun Mal bei insgesamt nur neun Konzerten von der Bühne gebuht wurden. Will sagen, halten wir fest: Die meisten im Publikum der Hollywood Bowl kannten noch gar nicht die Musik von JIMI HENDRIX. Die beiden zuvor in den Staaten veröffentlichten Singles Hey Joe und Purple haze waren dortzulande gefloppt. Und das Are-you-experienced-Debütalbum sollte erst in 5 Tagen in den Staaten erscheinen. Und so und deshalb klingt JIMI’s Bowl-Konzert irgenwie fast wie eine Soundstage-Veranstaltung ohne Publikum. Allerdings leider nur in einer gehobenen Bootleg-Mono-Audio-Qualität. Eddie Kramer dürfte aus den Bändern soundtechnisch alles Bestmögliche herausgeholt haben, was klanglich herauszuholen war. Mehr saß audiorestauratorisch wohl nicht drin. Wer noch nicht den Audiomitschnitt oder die DVD von JIMI’s Auftritt beim Monterey Pop Festival besitzt, sollte lieber erst mal die Finger vom Bowl-Konzert lassen, das ich persönlich wegen der tollen Nummern Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band und Catfish blues sehr schätze. Jimi hatte diese beiden Nummern in Monterey nicht gespielt. Die berühmten, unverwechselbaren "blue notes" von JIMI's Gitarrensound blühen beim "Catfish blues" von Muddy Waters so richtig auf; natürlich auch beim Song "Killin‘ floor" von Howlin' Wolf. Da ich als Bootleg-Fan mit schlechten oder minderexzellenten Aufnahmequalitäten ganz gut klarkomme, erhebe ich JIMI's Bowl-Konzert apotheotisch zu meinem persönlichen Traumteil.
JIMI forever!
hoffer