Hier meine Rezension zur aktuellen Road Tapes-Veröffentlichung. Vorab: Alle beinharten Zappa-Fans mögen mir nachsehen, dass ich kein Zappaologe bin und die Song-für-Song-Rezensionen den wahren Kennern überlassen möchte (und muss). Hier nur das Wichtigste
Hier meine Rezension zur aktuellen Road Tapes-Veröffentlichung. Vorab: Alle beinharten Zappa-Fans mögen mir nachsehen, dass ich kein Zappaologe bin und die Song-für-Song-Rezensionen den wahren Kennern überlassen möchte (und muss). Hier nur das Wichtigste für Interessierte.
Bei diesem Konzert der offiziellen Semi-Bootleg-Reihe aus dem Hause des Zappa Family Trust handelt es sich um Aufnahmen, die 1973 (also ein Jahr vor dem ebenfalls in Finnland / Helsinki mitgeschnittenen Konzert auf „YCDSOSA-Vol.2“ ) getaped wurden.
Getaped heißt: Kein Profi-Aufnahme-Equipment, sondern 2 und 4-Spur-Cassetten-Tapes waren das Material, aus welchen diese Doppel-CD zusammengestellt wurde (ähnlich wie z.B. auch Teile anderer, regulärer Zappa-Live-CDs, wie z.B. auch einige „Roxy & Elsewhere“-Passagen). Seinen Truck mit eigenem Studio schaffte sich Zappa erst Jahre später an; für Konzerte, die für Veröffentlichungen eingeplant waren, musste immer extra Aufnahmeequipment hinzu gemietet werden, was natürlich teuer war.
Die Tapes dienten ursprünglich vor allem der Band-internen Kommunikation: Man hörte sie auf der Tournee während der langen Busfahrten (daher der Name "Road Tapes") und ließ die Konzerte vergangener Tage Revue passieren, um am Arrangement zu feilen oder Schwachstellen im Set auszubügeln.
„Road Tapes #2“ besteht aus den besten Aufnahmen, die während dreier Shows an zwei aufeinanderfolgenden August-Tagen 1973 in Helsinki mitgeschnitten wurden, wobei man bei dieser Veröffentlichung (ähnlich wie z.B. auch bei “Hammersmith 1978) versuchte, den Verlauf eines dieser Konzerte nachzuempfinden (inklusive eines Soundchecks, der bei mehrmaligem Dauer-Rotations-Hören doch etwas nervt). Nähere Infos zum Aufnahme- und klanglichen Aufbereitungsprozess finden sich im Booklet.
Das Klangbild ist okay - nichts für High End-Fetischisten, aber deutlich über Bootleg-Niveau. Aus zwei oder vier-Spuren lässt sich nachträglich eben nur schwerlich ein Dolby Surround-Erlebnis zimmern. Auf jeden Fall klingt diese DCD deutlich besser, als ich es nach den Vorab-Ankündigungen in der (Fan-)Presse erwartet habe.
Die Besetzung auf „RT#2“ ist eine der Vorgängerbesetzungen der von „YCDTOSA2“ bekannten Band: George Duke, Ruth Underwood und Tom Fowler sind mit von der Partie. Allerdings stehen hier insgesamt acht (statt sechs) Leute auf der Bühne. Markantester Unterschied: Jean-Luc Ponty ist dabei und gibt dem Ganzen mit seiner E-Violine eine ganz eigene Klangfarbe. Ponty prägt den Sound markant und für alle, die (wie ich) sein "King Kong"-Album mit Zappa-Kompositionen mochten, ist dieser Mitschnitt eine echte Entdeckung. Neben Ralph Humphrey (dr) ist auch Bruce Fowler (trombone) dabei, beide waren ein Jahr später am gleichen Ort nicht mehr zu hören.
Die Versionen der Songs, die sich teils auch mit „YCDTOSA2“ und „Roxy & Elsewhere“ bzw. den Studioalben dieser Zeit überschneiden, unterscheiden sich manchmal in Länge, Tempo und Arrangement vom Original bzw. anderen Live-Veröffentlichungen. Über weite Strecken überwiegen Instrumentalpassagen, die vor allem die Freunde der Alben zwischen „Uncle Meat“ und „Grand Wazoo“ erfreuen dürften, auf denen Flo und Eddie nicht(!) mit von der Partie waren. Auch wenn Songs von späteren, eher gesangsorientierten Alben dabei sind, wie z.B.„Pinguin in Bondage“ in einer – wie ich finde – etwas schlapperen Version als auf „R&E“ und „Montana“ (auf dem einen Monat später nach diesen Konzerten veröffentlichten „Apostrophe’“ zu finden), überwiegen die jazz-rockigen Passagen deutlich gegenüber den Vocal-Nummern.
Auf „Your teeth…“ welches in eine entschleunigte „Pyjama [People] Prelude“ übergeht, soliert George Duke improvisierend am Keyboard (und springt zwischen verschiedenen Stilen hin und her). Zumeist wird über weite Strecken dem in den 70-ern aktuellen Jazzrock gehuldigt – mal mit spacigen Einsprengseln, dann wieder bluesiger oder auch grooviger, doch immer beseelt. Wer sich andere Jazzrock-Produkte der 70-er anhört, wird merken, dass die Zappa-Variante dieser Musikrichtung die letzten vier Jahrzehnte gut überstanden hat und immer noch ziemlich frisch klingt - wobei mir der leichte Bigband-Touch, zu dem Bruce Fowler (trombone) beiträgt, besonders gefällt. Vor allem sind es aber die längeren Improvisationen (über die Frage eventueller Co-Komponisten-Tantiemen für diese Improvisationen sollen sich Zappa und JLP ja zerstritten zu haben, was unbestätigten Gerüchten zufolge zu dessen plötzlichen Ausstieg führte) wie in „Dupree’s Paradise“, in denen Jean-Luc Ponty zeigt, in welche Richtung sich die Band hätte entwickeln können, hätte nicht schon kurze Zeit später Napoleon Murphy Brock die Band auf andere (ebenso überzeugende) Art und Weise geprägt.
Witzig auch, wie Zappa in „Farther O’Blivion“, laut dessen eigener Ansage "einem psychedelischen Stück", die "notwendige Funktion des Hook" erklärt - mit nachgeliefertem Hörbeispiel - wobei ein Hook natürlich etwas ist, das in einem solchen Jazzrock-Stück eigentlich nichts zu suchen hat, sondern eher ein Stilmerkmal von Mainstream Hits ist. Apropos Hits: Mit „All Skate/Dun-Dun-Dun gibt es (nachdem es scheint, als ob die Band längere Zeit benötigt, ihren Groove zu finden) noch eine nette Verbeugung vor dem finnischen Publikum, die dem Auftritt eine Art Lokalkolorit verleiht.
Natürlich fallen auch ein paar schöne Zappa-Gitarren-Soli ab. Überhaupt scheint mir diese DCD zu den besseren ZFT-Nachlassveröffentlichungen zu gehören, wobei ich einer von denen bin, die die 70-er für den Höhepunkt in Zappas Schaffen halten. Ich weiß, einige denken da anders… ich kann da aber nicht über den Schatten meiner eigenen Zappa-Sozialisation springen. Für mich ist dies’ ein Album, welches ich sicherlich noch sehr oft hören werde, auch wenn es nicht so ‚aus einem Guss’ wirkt, wie die zu Lebenszeiten veröffentlichten Live-Alben Zappas. Dafür kommt es einem Konzerterlebnis aber näher…
Fazit: Stark am Jazzrock orientiertes Zappa Live-Album mit langem Improvisationsgegniddel, welches den Werkkatalog um eine interessante Variante erweitert: Einen offiziellen Mitschnitt dieser 73-er Zappa-Formation, zu der neben George Duke auch der französische Violinist Jean-Luc Ponty gehörte, hat es bislang nicht gegeben. Eine hörenswerte und (im Gegensatz zu manch anderen Veröffentlichungen des ZFT) von vielen Fans seit Jahren erwartete Perle aus dem Nachlass.
Unbedingte Kaufempfehlung für Fans, zumal die jpc-Preisgestaltung (im Vergleich mit einigen Mitbewerbern) für diesen sonst nur schwer zu bekommenden Import wirklich äußerst kundenfreundlich ist.!