Cadavre au Vin
Mein Name ist Dr. Albert Rosenfield, ich bin Pathologe an der Filmakademie Berlin und habe den traurigen Auftrag, diesen bedauerlichen Kadaver von einem Zweiteiler hier zu sezieren...
Auf geht’s, - schauen wir uns „Kokowääh“ doch mal etwas genauer an!
Äußerlich haben wir hier eine Beziehungsklamotte aus dem Setzbaukasten. Todesursache war mutmaßlich ein unerträgliches Maß an Einfältigkeit und Berechenbarkeit. Zudem besteht der Verdacht auf missbräuchlichem Einsatz von Botulinumtoxin (Botox). Am ganzen Körper lassen sich Narben und Auswirkungen von ästhetischer Chirurgie im großen Umfang entdecken, die nur semiprofessionell durchgeführt wurde und ebenfalls das Ableben herbeigeführt haben könnte.
Nach Eröffnung des Schädels, fällt schon makroskopisch das völlig degenerierte, winzige Hirn auf, das bei einem ausgewachsenen 2-Stunden-Film mindestens die zehnfache Größe hätte haben müssen. Einzig der visuelle Cortex scheint ungewöhnlich entwickelt, die Komödie besticht mit einer Hochglanzoptik, die allerdings sehr bald im Zusammenspiel mit anderen Anomalien einen eher aufdringlichen Charakter annimmt. Der auditorische Cortex beispielsweise besteht aus wahllos und oft geradezu deplaziert wirkender Top-Plazierungen der (zur Zeit der Entstehung des Films) aktuellen Single-Charts. Histologisch betrachtet, erkennt man in diesen Songs eine maligne Manipulation, da sie sich oft in mehrminütiger Symbiose mit an Pop-Videos erinnernden Bildern verklumpten.
Ich führe nun den Y-Schnitt durch. Aus den Schnittstellen quillt sofort eine ekelerregende Menge an Product-Placement hervor. Diese mitnichten dezente Werbeintegration beeindruckt dadurch, dass sie durch sämtliche Industriezweige kontaminiert und das Austreten erst durch massiven Einsatz von Absaugvorrichtungen einzudämmen ist. Ich löse die Verwachsungen an den Lungen, die durch den in Familienfilmen ungewöhnlich häufig dargestellten Nikotinabusus entsprechend auffällig verändert sind. Der übermäßige Einsatz von Tabakwaren in „Kokowääh“ dürfte wiederum eine direkte Folge der bereits beschriebenen hochinfektiösen Produktplazierung sein.
Da wir ja ein Exemplar der „romantischen Komödie“ obduzieren, erwartete ich eigentlich ein gesundes, durchtrainiertes Herz vorzufinden. Tatsächlich besitzt „Kokowääh“ aber nur einen seelenlosen, steinharten Muskelknoten aus Plattitüden, Schlüpfrigkeiten und minderdurchbluteten Partnerwechsel-Krampfadern, die dem relativ jungen Alter der Leiche nicht entsprechen und die man bereits bei unzähligen Spielfilm-Autopsien sehen musste.
Wenn ich mich der Schambeinregion nähere, fällt mir eine äußerst widerliche Missbildung auf. An mehreren Stellen wird eine Acht- bzw. Zehnjährige zur Schau gestellt, die frivol gekleidet, angemalt und gestylt wurde. Laut Anamnese befand sich „Kokowääh“ diesbezüglich offensichtlich bereits seit 2011 in hausärztlicher Behandlung, fatalerweise wurde dieser Abnormität jedoch eine harmlose „Niedlichkeit“ attestiert und eine Bachblütentherapie initiiert. Doch die Symptome nahmen zu und breiteten sich altklug, vorlaut, nuschelnd und hopsend aus. Tragisch ist dabei nicht unbedingt, dass der Hausarzt nicht die chirurgische Entfernung der relativ leicht zu diagnostizierenden Talentfreiheit (im medizinischen Fachjargon auch "Morbus Schweiger" genannt) erwog, sondern die Darstellung einer Grundschülerin in derart kokettierender Ausrichtung übersah, die mir selbst bei einem fünf oder sechs Jahre älteren Mädchen unangemessen erscheint. Durch diesem missbräuchlichen Einsatz von vorpubertären Reizen mit latent sexuellem Beigeschmack konnten sich karzinogene Sequenzen im ganzen Organismus ausbreiten und haben (in Form von plumpen Musikvideos) erhebliche Areale des Films befallen. Szenen, in denen dem Mädchen der Träger eines behelfsmäßigen Nachtgewands beim Zähneputzen von der Schulter rutscht, ein blonder Junge sich eine Schildkröte in den Schlüpfer steckt und eindeutig zweideutig daherredet, die kleine "Lolita" räkelnd und hüftschwingend (wie ein Bond-Girl) an Bord eines Bootes gegen den Sonnenuntergang gefilmt wurde oder Zehnjährige eine Traumhochzeit (inklusive gefühlsbetonten Vermählungskuss) nachspielen, lassen sicher so manches Pädophilenherz höher schlagen. Auch dürfte dieses unnatürliche, aufgesetzte Verhalten der Jungdarsteller auf gleichaltrige Zuschauer assimilierenden Einfluß besitzen.
Nur an den kleineren, verzichtbaren Organen wie Milz und Thymus fanden sich keine gravierenden Deformationen oder Entartungen. Sehr vereinzelte Slapstick-Einlagen, die ich unter erschwerten Bedingungen mit Skalpell und Elektronenmikroskop freilegen konnte, luden zum kurzzeitigen Schmunzeln ein und dennoch kann auch die gewisse Selbstironie, die „Kokowääh“ in einigen Zellstrukturen aufweist (alles, was jedoch über Matthias Schweighöfer gesagt wird, trifft meiner Meinung auch tatsächlich zu!), nicht über den bedauerlichen Zustand des sezierten Kadavers hinwegtäuschen.
Abschließend noch ein kurioser Befund, den ich bei der Analyse des körpereigenen Immunsystems entdeckte. Um den fortgeschrittenen "Morbus Schweiger" zu kaschieren, hat der Organismus nämlich massenweise Membranproteine gebildet, die an den Makrophagen andocken und somit verhindern, dass wirksam JG-Mehrzeller zerstört werden konnten. JGM (Jasmin-Gerat-Metabionta) sind schlichte Ubiquistinnen der unterentwickelten Klasse VI, die ein intaktes Abwehrsystem leicht identifiziert und ausschaltet. Diese abnormen Membranproteine sorgten jedoch dafür, dass „Kokowääh“ von minderbegabten Mehrzellern geradezu überschwämmt wurde, was wiederum die schauspielerischen Defizite angestammter Protagonisten relativierte. Durch diesen pathophysiologischen Trick wirkt der "Morbus Schweiger" auf dem ersten Blick nicht so erschreckend. Im Klartext bedeutet dies, dass sich Schweiger'sche Zellen gerne mit noch schwächeren Kapazität umgeben, um die eigene Unzulänglichkeit zu verbergen.
Unfassbar!!! Soeben erreicht mich eine skandalöse Verfügung vom Amtsgericht Potsdam. Obwohl nach meinen Berechnungen die Leichenstarre schon vor Kinostart des zweiten Teils eingesetzt haben musste und entgegen dem mutmaßlichem Willen des verschiedenen Patienten, erwirkten die engsten Angehörigen die sofortige Reanimation und künstliche Beatmung des Leichnams zwecks Fortsetzung der Filmreihe im nächsten Jahr. Diese gottlose Entscheidung verstößt meines Erachtens gegen jede ethische Konvention und dient ausschließlich der kommerziellen Ausbeutung und Gewinnmaximierung. Der - durch die bereits entnommenen Organe entstandene - Hohlraum des Untoten, soll nun durch noch mehr Product-Placement und den bewährten Füllsel (überzeichnetes Beziehnugskonstrukt nach Schema F, glotzäugige Model-(Möchtegern-)Schauspielerinnen, Mainstream-Pop-Balladen, gefühlsduselige Postkarten-Bilder, IKEA-Katalog-Wohnung, frühreifes Kindergefasel) ausgestopft werden...
Herrje, hoffentlich landet anschließend dieses gruselige Frankenstein-Ding nicht wieder auf meinem Tisch!!!