Thelonious Monk & Martial Solal: 1961 - Berlin, Deutscher Jazz Salon/ 1959 - Essen, Gürzenich (remastered) (180g)
1961 - Berlin, Deutscher Jazz Salon/ 1959 - Essen, Gürzenich (remastered) (180g)
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- Label: Jazzline, 1959/61
- Bestellnummer: 2703935
- Erscheinungstermin: 25.5.2012
- Serie: WDR The Cologne Broadcasts
*** Gatefold Cover
Thelonious Monk und Martial Solal. Auf den ersten Blick und Höreindruck mögen sie wenig gemein haben.
Der eine scheint den Fluss des Swingenden durch sperrige Querhölzer zu unterbrechen, ein vermeintlich ungelenker Elefant im Porzellanladen des Jazz, holpernd und stolpernd, ein pianistisches Raubein. Allein schon seine Handhaltung lässt Klavierlehrer die Hände über den Kopf zusammenschlagen: die Finger flach und parallel ausgestreckt, entsteht der Eindruck, als ob zwei Fliegenklatschen die Tastatur traktieren. Und noch bevor sich der Ästhet an diesen Anblick gewöhnt hat, kracht Monks Unterarm mit einem gewaltigen Cluster aufs edle Elfenbein.
Der andere ein Inbegriff des Filigranen.
Seine stupende Virtuosität lässt ihn in den Ohren seiner Bewunderer zum eigentlich als unerreichbar geltenden Klavierolymp eines Art Tatum und Oscar Peterson aufschließen. Ein gewisser „gallischer Witz“ wird Solal attestiert, eine spielerische Eleganz, die auch durch urplötzlich eingestreute harmonische Wendungen nicht verloren geht. Eine orchestrale Dichte und ein schier unablässiger Strom sprudelnder Ideen, die den atemlos verfolgenden Hörer gelegentlich erschöpft nach Luft schnappen lassen.
In den USA und in Frankreich werden die renommiertesten Wettbewerbe beider Länder nach ihnen benannt (Thelonious Monk International Jazz Competition, Concours de piano jazz Martial Solal). Hat der Franzose bereits früh in seiner Karriere gebührende Wertschätzung erfahren und ihn zum „Aushängeschild“ des gallischen Jazz werden lassen, ist Monks Bedeutung – vor allem als Komponist – erst nach seinem Tod vollends gewürdigt worden. Dessen Wunsch, vom Publikum verstanden zu werden, erfüllte sich - wenn überhaupt - erst gegen Ende seiner Karriere. Die meiste Zeit fühlte er sich missverstanden. Und auch Solal haderte gelegentlich mit Zeitgenossen: „zu komplex“, so ein häufiger Vorwurf, den er mit „mangelndem Kenntnisstand“ des Jazzpublikums zu kontern pflegte.
Spiegelungen, Verdrehungen, die Verkettung scheinbar nicht zueinander passender Teile, die plötzliche Verdichtung und Ausdünnung tragender Akkorde: Ist Solal ein formbewusster, mit den einzelnen Bausteinen behände umgehender Gestalter, kreiert Monk gelegentlich abenteuerlich anmutende, aber verblüffend stabile Konstrukte, die ihn in den Worten Coltranes zu einem „Architekten höchsten Ranges“ machen (und in denen Charlie Rouse sicherer als jeder andere Saxophonist zu wandeln pflegte). Vor allem aber eines vereint sie: Bei Beiden handelt es sich um kompromisslose Individualisten, denen vieles entgegengebracht wurde, nur eines nicht: Gleichgültigkeit. Vor allem der Amerikaner polarisierte. Im Juni 1961 beschreibt Dieter Zimmerle im Jazz Podium, wie sehr der Pianist das Publikum spaltete – in eine Pro- und Kontra-Fraktion: „Für Monk oder nicht für Monk, das war die Frage nach dem gewiss eindruckvollsten Konzertteil des Deutschen Jazz-Salon Berlin. Selten stieß eine Jazzgruppe auf solch uneingeschränkte Zustimmung und gleichzeitig auf so schroffe Ablehnung wie das Monk-Quartett… Das Quartett gehört zu jenen Musikgruppen, die sich bei aller grundsätzlicher Konzipierung des musikalischen Stoffes weitgehend über formale Gesetze der Musiktradition hinwegsetzen, um nie das Element der Faszination in der bewussten oder unbewussten Schockierung zu verlieren… Dabei wird der Schock bei den einzelnen Musikern auf ganz verschiedene Art ausgelöst: bei Monk durch eine fast feindliche Behandlung des Klaviers, bei Charlie Rouse durch ungestüme Ausbrüche auf dem Tenor, bei Frankie Dunlop durch rhythmische Eskapaden, zu denen ihn seine überragende Technik befähigt. Und doch erscheint das Quartett – John Ore versucht über den unbeirrbaren Drive vom Bass her zu vermitteln – als wohlorganisierte, in sich geschlossene Einheit, die man nur insgesamt anerkennen oder ablehnen kann.“ Beim Jazz-Salon gastierte auch Monks zehn Jahre jüngerer Kollege aus Frankreich, der für Zimmerle „eine so überragende technische Brillanz bewies, dass darunter nun bereits die Überzeugungskraft des Jazz verloren zu gehen droht“. War Solal in Berlin mit den European All Stars aufgetreten, hatte er zwei Jahre zuvor das westdeutsche Publikum in eigener Sache schwindelig gespielt - bis in die Fingerspitzen motiviert, nachdem vor ihm die pianistische Messlatte beinahe die Decke der Grugahalle zu berühren schien: Oscar Peterson sorgte als Mitglied von Jazz at the Philharmonic für den von 8200 Zuschauern umjubelten Auftakt der Essener Jazztage 1959. Den zweiten Teil des ersten Abends bestritten das Albert Mangelsdorff Jazztet, Clara Ward & The Ward Singers und das Martial Solal Trio. Oscar Pettiford und der Wahl-Pariser Kenny Clarke bildeten die Rhythmusgruppe, die am folgenden, das Festival beschließenden Tag gleich zweimal zu hören war: mit Bud Powell und Rolf Kühn. Als Gast präsentierte Solal den 1957 in Paris gelandeten Saxophonisten Lucky Thompson, der in zwei Titeln auf dem (damals vor allem in Frankreich beliebten) Sopran zu hören ist.
Die Monk-Biografen Jacques Ponzio und Francois Postif zitieren in ihrem Buch Blue Monk den Produzenten und Kritiker Louis-Victor Mialy, der 1964 - als beide Pianisten nur einen Steinwurf voneinander entfernt in San Francisco auftreten - bemüht ist, ein Treffen der Protagonisten zu organisieren: „Martial hatte mich um eine heikle Sache gebeten, nämlich Monk ins El Matador zu bringen. Eines Abends, an dem der Club vollgepfropft mit Musikern war, die gekommen waren, um Solal zu hören, sah ich Monk in weißem Anzug und weißem Hut. Ohne zu schauen, wer auf dem Podium spielte, steuerte Monk direkt die Theke an, wo er seinen weißen Hut ablegte, und gemeinsam bestellten wir doppelten Cognac. Solal zog zur selben Zeit ein wahres Feuerwerk ab, baute ein wenig Chopin und viel Tatum in seine Interpretation ein, die sehr intensiv geriet. Monk, noch immer den Rücken dem Podium zugewandt, hörte aufmerksam zu und starrte ein Loch in die Theke. Schließlich drehte er sich um und fragte mich: ‚Who is this motherfucker?‘ Nachdem er seinen doppelten Cognac ausgetrunken hatte, verließ Monk erhobenen Hauptes wie ein englischer Armeeoffizier den Club, ohne ein Wort.“
Karsten Mützelfeldt
Der eine scheint den Fluss des Swingenden durch sperrige Querhölzer zu unterbrechen, ein vermeintlich ungelenker Elefant im Porzellanladen des Jazz, holpernd und stolpernd, ein pianistisches Raubein. Allein schon seine Handhaltung lässt Klavierlehrer die Hände über den Kopf zusammenschlagen: die Finger flach und parallel ausgestreckt, entsteht der Eindruck, als ob zwei Fliegenklatschen die Tastatur traktieren. Und noch bevor sich der Ästhet an diesen Anblick gewöhnt hat, kracht Monks Unterarm mit einem gewaltigen Cluster aufs edle Elfenbein.
Der andere ein Inbegriff des Filigranen.
Seine stupende Virtuosität lässt ihn in den Ohren seiner Bewunderer zum eigentlich als unerreichbar geltenden Klavierolymp eines Art Tatum und Oscar Peterson aufschließen. Ein gewisser „gallischer Witz“ wird Solal attestiert, eine spielerische Eleganz, die auch durch urplötzlich eingestreute harmonische Wendungen nicht verloren geht. Eine orchestrale Dichte und ein schier unablässiger Strom sprudelnder Ideen, die den atemlos verfolgenden Hörer gelegentlich erschöpft nach Luft schnappen lassen.
In den USA und in Frankreich werden die renommiertesten Wettbewerbe beider Länder nach ihnen benannt (Thelonious Monk International Jazz Competition, Concours de piano jazz Martial Solal). Hat der Franzose bereits früh in seiner Karriere gebührende Wertschätzung erfahren und ihn zum „Aushängeschild“ des gallischen Jazz werden lassen, ist Monks Bedeutung – vor allem als Komponist – erst nach seinem Tod vollends gewürdigt worden. Dessen Wunsch, vom Publikum verstanden zu werden, erfüllte sich - wenn überhaupt - erst gegen Ende seiner Karriere. Die meiste Zeit fühlte er sich missverstanden. Und auch Solal haderte gelegentlich mit Zeitgenossen: „zu komplex“, so ein häufiger Vorwurf, den er mit „mangelndem Kenntnisstand“ des Jazzpublikums zu kontern pflegte.
Spiegelungen, Verdrehungen, die Verkettung scheinbar nicht zueinander passender Teile, die plötzliche Verdichtung und Ausdünnung tragender Akkorde: Ist Solal ein formbewusster, mit den einzelnen Bausteinen behände umgehender Gestalter, kreiert Monk gelegentlich abenteuerlich anmutende, aber verblüffend stabile Konstrukte, die ihn in den Worten Coltranes zu einem „Architekten höchsten Ranges“ machen (und in denen Charlie Rouse sicherer als jeder andere Saxophonist zu wandeln pflegte). Vor allem aber eines vereint sie: Bei Beiden handelt es sich um kompromisslose Individualisten, denen vieles entgegengebracht wurde, nur eines nicht: Gleichgültigkeit. Vor allem der Amerikaner polarisierte. Im Juni 1961 beschreibt Dieter Zimmerle im Jazz Podium, wie sehr der Pianist das Publikum spaltete – in eine Pro- und Kontra-Fraktion: „Für Monk oder nicht für Monk, das war die Frage nach dem gewiss eindruckvollsten Konzertteil des Deutschen Jazz-Salon Berlin. Selten stieß eine Jazzgruppe auf solch uneingeschränkte Zustimmung und gleichzeitig auf so schroffe Ablehnung wie das Monk-Quartett… Das Quartett gehört zu jenen Musikgruppen, die sich bei aller grundsätzlicher Konzipierung des musikalischen Stoffes weitgehend über formale Gesetze der Musiktradition hinwegsetzen, um nie das Element der Faszination in der bewussten oder unbewussten Schockierung zu verlieren… Dabei wird der Schock bei den einzelnen Musikern auf ganz verschiedene Art ausgelöst: bei Monk durch eine fast feindliche Behandlung des Klaviers, bei Charlie Rouse durch ungestüme Ausbrüche auf dem Tenor, bei Frankie Dunlop durch rhythmische Eskapaden, zu denen ihn seine überragende Technik befähigt. Und doch erscheint das Quartett – John Ore versucht über den unbeirrbaren Drive vom Bass her zu vermitteln – als wohlorganisierte, in sich geschlossene Einheit, die man nur insgesamt anerkennen oder ablehnen kann.“ Beim Jazz-Salon gastierte auch Monks zehn Jahre jüngerer Kollege aus Frankreich, der für Zimmerle „eine so überragende technische Brillanz bewies, dass darunter nun bereits die Überzeugungskraft des Jazz verloren zu gehen droht“. War Solal in Berlin mit den European All Stars aufgetreten, hatte er zwei Jahre zuvor das westdeutsche Publikum in eigener Sache schwindelig gespielt - bis in die Fingerspitzen motiviert, nachdem vor ihm die pianistische Messlatte beinahe die Decke der Grugahalle zu berühren schien: Oscar Peterson sorgte als Mitglied von Jazz at the Philharmonic für den von 8200 Zuschauern umjubelten Auftakt der Essener Jazztage 1959. Den zweiten Teil des ersten Abends bestritten das Albert Mangelsdorff Jazztet, Clara Ward & The Ward Singers und das Martial Solal Trio. Oscar Pettiford und der Wahl-Pariser Kenny Clarke bildeten die Rhythmusgruppe, die am folgenden, das Festival beschließenden Tag gleich zweimal zu hören war: mit Bud Powell und Rolf Kühn. Als Gast präsentierte Solal den 1957 in Paris gelandeten Saxophonisten Lucky Thompson, der in zwei Titeln auf dem (damals vor allem in Frankreich beliebten) Sopran zu hören ist.
Die Monk-Biografen Jacques Ponzio und Francois Postif zitieren in ihrem Buch Blue Monk den Produzenten und Kritiker Louis-Victor Mialy, der 1964 - als beide Pianisten nur einen Steinwurf voneinander entfernt in San Francisco auftreten - bemüht ist, ein Treffen der Protagonisten zu organisieren: „Martial hatte mich um eine heikle Sache gebeten, nämlich Monk ins El Matador zu bringen. Eines Abends, an dem der Club vollgepfropft mit Musikern war, die gekommen waren, um Solal zu hören, sah ich Monk in weißem Anzug und weißem Hut. Ohne zu schauen, wer auf dem Podium spielte, steuerte Monk direkt die Theke an, wo er seinen weißen Hut ablegte, und gemeinsam bestellten wir doppelten Cognac. Solal zog zur selben Zeit ein wahres Feuerwerk ab, baute ein wenig Chopin und viel Tatum in seine Interpretation ein, die sehr intensiv geriet. Monk, noch immer den Rücken dem Podium zugewandt, hörte aufmerksam zu und starrte ein Loch in die Theke. Schließlich drehte er sich um und fragte mich: ‚Who is this motherfucker?‘ Nachdem er seinen doppelten Cognac ausgetrunken hatte, verließ Monk erhobenen Hauptes wie ein englischer Armeeoffizier den Club, ohne ein Wort.“
Karsten Mützelfeldt
- Tracklisting
LP
- 1 I'm Getting Sentimental Over You
- 2 Crepuscule With Nellie
- 3 Rhythm-A-Ning
- 4 I'm Getting Sentimental Over You
- 5 Crepuscule With Nellie
- 6 Rhythm-A-Ning
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