Welche Offenbarung!
Hyperions Reihe "The Romantic Piano Concerto" ist mittlerweile auf 62 Titel angewachsen. Immer wieder von neuem betritt das Label Neuland. So auch mit dieser Veröffentlichung: Konzertante Werke für den Pedalflügel. Im 19. Jh. bedachten solche Größen wie Alexandre Guilmant, Théodore Salomé oder Charles Valentin Alkan dieses Instrument mit Kompositionen. Selbst Robert Schumann schrieb seine 6 Fugen über " B-A-C-H" und die "Skizzen" für den Pedalflügel. Zumeist werden diese Werke heute auf einer Orgel eingespielt.
Dass der Schöpfer der Oper "Faust", Charles Gounod, eigens für dieses Instrument komponiert hat, das mag die meisten Hörer überraschen, noch dazu wo es sich um Literatur für den Pedalflügel mit Orchester handelt. Für die Einspielung wurde von einem italienischen Orgelbauer ein Instrument konsturiert, das der Realisation diente. Schade, dass das Booklet nicht näher auf dieses Instrument, seine Funktion, eingeht. Auch hätte ich mir über dieses doch sehr exotische Instrument "Peadlflügel" nähere Informationen gewünscht. Das aber ist schon der einzige negative Kritikpunkt dieser Veröffentlichung. Die Musik hingegen ist eine Offenbarung.
Die "SUITE CONCERTANTE" beginnt mit einer majestätisch einherschreitenden "Entrée", vielleicht zu übersetzen mit Festouverture.
Unisono hebt der 2. Satz - La Chasse (die Jagd) - an und entwickelt sich zu einem quirrligen Spiel zwischen Klavier und Orchester. Dann die Erholung, ein Satz zum Dahinschmelzen. Die tiefen Streicher und das Klavier suchen fast tonalen Halt. Und dann trägt die Klarinette eine Melodie vor, die den Opernkomponisten zeigt, die in ihrer klanglischen Schönheit an Rachmaninoffs 2. Sinfonie erinnert. Das Klavier tritt hinzu und verzaubert mit sanften Harmonien. Viel zu schnell ist dieses kleine Meisterwerk vorbei, so dass es nur gilt: noch einmal von vorn! Der letzte Satz, mit Schlagwerk, ist eine kurze, freudige Tarantella, ansprechend für den Pianisten ohne Zurschaustellung der Virtousität und sehr melodisch.
Das zweite große Werk ist ein Konzert in Es-Dur. Ähnlich wie bei denen von Beethoven oder von Julius Benedict (Nr. 48 der Reihe) hebt der erste Satz majestätisch an. Das Klavier beginnt mit einer Kadenz im Pedal, sodann entwickelt sich der Satz zu einem kraftvollen und melodiösen Kopfsatz - und ist doch so kurz! Warum nur, fragt man sich, hat Gounod das wunderbare Material nicht noch länger verarbeitet? Das SCHERZO klingt fast diabolisch. Und dann der langsame Satz: wie ein Trauermarsch. Das Klavier sucht tonalen Halt. Insofern erinnert dieser Trauermarsch an die späten Klavierwerke Franz Liszts, bei denen er den Rahmen von Dur und Moll sprengt. Und plötzlich ein wunderbarer Zwischenteil, lyrisch, verträumt, wiederum wird der Opernkomponist hörbar, bevor noch einmal das Anfangsmotiv des Satzes erklingt. Der 4. Satz Allegretto Marziale beendet ein wunderschönes Werk.
Neben diesen beiden großen Werken stehen noch 2 einzene. Die Phantasie über die Russische Nationalhymne gereicht zu Beginn den russischen Meistern zu Ehre. Ein mächtiger Bläsersatz leitet das Werk ein, das Klavier setzt wuchtig ein und so wird die Russische Hymne variiert.
Die "Danse Roumaine" ist wohl eher das, was europäische Komponisten mit osteuropäischer Musik verbanden. Jedenfalls klingt dieses kleine Werk sehr französisch, aber nicht rumänisch.
Egal - die CD ist m.E. ein Highlight der Reihe. Glücklicherweise sind diese Juwelen Gounods nun dem Zuhörer zugänglich. Vieles klingt auf den ersten Blick gar nicht so virtuos, wenn man aber bedenkt, dass die Passagen z.T. durch das Pedal wiedergegeben werden, dann wächst die Ehrfurcht des Hörers. [N.B. Auf YouTube ist der Solist, Roberto Prosseda, auch zu sehen.]
FAZIT: Eine CD, die man nicht übersehen darf!