Ganz stark
Tom ist ein sehr bekannter Fernsehjournalist und Anchorman. Er hat keine eigene Familie und lebt sein Leben sehr rasant, viel Arbeit, belanglose Affären. Es ist ihm unheimlich peinlich, dass seine 85-jährige Mutter auf der Autobahn aufgegriffen wird. Die Untersuchungen ergeben, dass sie an Alzheimer–Demenz leidet. Anfangs verdrängt er das noch, doch mehr und mehr häufen sich die Probleme. Gleichzeitig erzählt die Mutter ihm Sachen aus der Vergangenheit, die sie bis jetzt konsequent verschwiegen hat.
Ich empfand das Buch als ganz stark. Und das aus mehreren Gründen. Da wird diese schreckliche Krankheit Alzheimer gut geschildert, ohne die Probleme, die entstehen, zu verschweigen. Aber ebenfalls auch, ohne die betroffene Person irgendwie lächerlich zu machen selbst bei den Dingen, die sie tut und die auf den ersten Blick lächerlich erscheinen. Dann geht es um die schrecklichen Erlebnisse, speziell der Frauen, im Zweiten Weltkrieg und in der Zeit danach. Wie sie eine Weile eine Art Freiwild waren, die Familien verloren oder als einzige für sie sorgen mussten, auf ihre Männer warteten. Auch die speziellen Beziehungen zwischen den afroamerikanischen Soldaten und deutschen Mädchen und Frauen sind unsentimental, aber mit sehr viel Gefühl beschrieben. Die aus diesen Beziehungen entstandenen Kinder sind einfach nur zu bedauern. Was sie durchgemacht haben, kann man sich heute überhaupt nicht mehr vorstellen. Umso wichtiger ist es, dass dieses Thema wenigstens heute beschrieben wird. Das Besondere an dem Buch ist, dass solche schwerwiegenden Themen angesprochen werden, ohne dass das Buch den Charakter der Unterhaltung verliert. Man kann die Geschichte gut lesen, ist immer wieder berührt und lernt nebenbei noch unheimlich viel. Für mich das einzige Manko war die Beschreibung von Tom, vor allem am Anfang des Buches. Dort fällt er sehr in das Klischee eines alleinstehenden reichen Machos mit wenig Gefühl. Das hätte es gar nicht bedurft, um die Wandlung im Laufe des Buches darzustellen. Alles in allem gibt es von mir eine absolute Leseempfehlung und das Buch ist für mich das erste große Lesehighlight in diesem Jahr.