Berührend und fesselnd
Tom Moderath ist ein erfolgreicher Kölner Nachrichtensprecher und entsprechend berühmt ist der, von sich ziemlich überzeugte Anchorman. Seine Mutter Greta, die jenseits der 80 ist, besucht er nur selten, obwohl sie auch in Köln lebt, aber dann kommt der Tag, an dem er seine Mutter, die völlig orientierungslos auf der Autobahn rumfuhr abholen muss. Es zeigt sich, dass sie eine Demenz entwickelt hat und das stellt den Mittvierziger vor etliche Probleme. Greta ist der Mittelpunkt der Geschichte. Das zeigt sich spätestens beim Zeitsprung in den zweiten Weltkrieg. Wie sie und ihre Familie durchhielten und was sie aushalten mussten, wie ihr Weg nach Heidelberg führte und was dort alles geschah, wird nach und nach berichtet. Durch die Wechsel in 2015 wird Tom deutlich, dass damals irgendwas Bewegendes passiert sein muss und so beginnt der Journalist tiefer zu graben, auch wenn seine Mutter irgendwann nichts mehr dazu sagen will und kann. Dabei wird deutlich: Ein recht unbekanntes Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte hat Auswirkungen bis heute.
Zunächst war ich ja schon skeptisch, denn der Untertitel „Ein unmögliche Liebe“ – naja, ich bin nun einmal nicht so der Freund von Liebesgeschichten, daher die Zweifel. Dennoch hat mir irgendwas gesagt, dass ich das Buch kaufen sollte und das habe ich dann auch getan. Zum Glück, denn ich bin echt begeistert von dieser Geschichte. Sie greift so viele interessante und brisante Themen auf und ist dennoch nicht überladen. Der Roman hat mich berührt, gefesselt und teilweise auch fassungslos den Kopf schütteln lassen. Da sind die Ereignisse während des Krieges, aber auch der Umgang mit den Flüchtlingen und den dunkelhäutigen GI´s und manchmal auch das Verhalten von Tom, der mit seiner Bekanntheit, vor allem zu Beginn des Buches, sehr oft unrühmlich umgeht, um es mal vorsichtig zu formulieren. Aber er fängt sich ja nach und nach und bedient nicht mehr sämtliche Klischees und das Verständnis für seine Unsicherheiten wächst. Mit der Zeit habe ich ihn sogar ins Herz geschlossen, denn so arrogant und unangenehm wie er zu Beginn war, so empathisch und engagiert ist er später. Zudem muss man ihm zugutehalten, dass die Situation ja auch wirklich alles andere als leicht ist. Allein schon die Demenz der Mutter ist ein schwerer Schlag, doch dann tun sich ja nach und nach noch mehr Abgründe auf. Und Tom hat es nicht leicht bei seinen Recherchen in eigener Sache, obwohl er tatkräftige Unterstützung erhält, und dass ausgerechnet von einer Frau, die er eigentlich nicht mag…
Zugegeben: Ich war zwar nicht schon nach den ersten Seiten Feuer und Flamme, aber lange gedauert hat es auch nicht. Dabei musste ich feststellen, dass mich der Zeitstrang in der Vergangenheit, während und nach dem zweiten Weltkrieg, extrem gefesselt hat, während jener in 2015 erst ein wenig Fahrt aufnehmen musste. Die Flucht aus Ostpreußen, Gretas Angst um den Vater, die Probleme eine Wohnung zu finden und das Fraternisierungsverbot sind aber auch wirklich sehr fesselnd. Ich will hier gar nicht allzu sehr in die Tiefe gehen, um Leser nicht zu spoilern.
Und dennoch: Rassismus in der US-Armee und der Umgang mit „Brown Babys“ spielen eine zentrale Rolle – eine ganz schön heftige Geschichte, die mir in ihrer Tragweite im Vorfeld so nicht bekannt war.
Wie erwähnt hat mich das Buch einfach extrem gut unterhalten, und bei all den schwierigen Themen gab es auch immer wieder lustige Momente und Dinge, die einem einfach ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Der Schreibstil ist extrem flüssig, bildhaft und somit leicht zu lesen, wenngleich die Inhalte oft schwer verdaulich sind. Die Charaktere sind authentisch gezeichnet, vor allem bei Greta hat mich das tief beeindruckt, denn sie zeigt wie die Erinnerungen so langsam schwinden und was das für die Betroffenen bedeutet. Gefallen hat mir sehr, dass die Autorin auch original Ausschnitte von Texten und Nachrichten einbaut.
Ich will auch gar nicht noch mehr Worte verlieren, denn ich kann dem Buch in der Rezension so und so nicht gerecht werden, aber ich empfehle diesen emotionalen Roman, der mir sicher noch lange im Gedächtnis sein wird, gerne weiter!