Wer Pröve kennt, erwartet gelebtes Leben! Schafft auch dieses Buch, den Leser mitzureißen?
Redaktioneller Hinweis: Ich danke dem Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplares.
Cover
Mit einem Blick ist klar, worum es geht. Eine Reise. Im Rollstuhl. In unwirtschaftlicher Gegend. Warum reist man dahin? Hier spielen Kuh und Hintergrund die Trümpfe aus.
Genial.
Einband
Wie eine Fledermaus ihre Flügel ausbreitet, so klappt das Buch zwei Umschlagseiten aus. Wozu? Sie sind innen leer! Sinn ergäben sie, wenn dort die Karte abgedruckt wäre, statt auf Seite 310. Aber als Lesezeichen sind sie gut.
Inhalt und Aufteilung des Buches
Vorwort, Inhaltsverzeichnis inklusive Seitenzahlen, Indienkarte, es ist alles da und doch zuviel. Eigentlich könnten es zwei erzählte Lebenserfahrungen sein. Die Reise durch Indien ist in der Gegenwartsform geschrieben und ‚wie der Autor zu seinem Rollstuhl kam‘ in der Vergangenheitsform. So trenne ich diesen Teil der Rezension auf in zwei Teile, denn beides ist besonders zu beleuchten.
Die Vergangenheit
In Vergangenheitsform werden im Buch immer wieder chronologisch geordnet die Hintergründe dargestellt, wie es dazu kam, das der Autor einen Rollstuhl brauchte. Hier ist keine Anklage, kein Gezeter und Gemecker, sondern die Empfindung, das Erkennen, dass es jetzt im Rollstuhl weitergeht, griffig erzählt. Der Weg, sich des neuen Problems anzunehmen, zu akzeptieren was geschah, wird dem Leser interessant erzählt nahegebracht.
Reise und Erleuchtung.
Sehr offen und ehrlich, aber auch selbstkritisch erzählt der Autor von seiner Reise durch Indien. Manches Malheur, mancher Fehler und viele Erfolge erzählt Andreas Pröve so, dass es nicht nur Spaß macht zu lesen, sondern dass man manches Mal dabei sein mag und manches Mal lieber doch nicht.
Dabei stellt er nicht nur seine rechnerischen Fähigkeiten unter Beweis, ich zitiere: Da der Mensch aber nach drei Tagen ohne Flüssigkeit verendet, müsste ich bei Ankunft zu etwas fünfzehn Prozent tot sein ...“, sondern auch eine sehr bildhafte Sprache. Ja, er geht sogar soweit, seine Unmutsbezeugungen vor Ort zuzugeben. Er kann also durchaus ‚meckern‘. Gerade dies gibt dem Buch die Würze und das Leben.
Zielgruppe
Ein Buch für jeden, der andere Länder, Leute und Kulturen kennenlernen möchte, wobei sicher auch Jugendliche dem Humor viel abringen können.
Stil
„Erleuchtung“ ist durchgängig in der personalen Erzählperspektive umgesetzt und verzichtet darauf den Leser anzusprechen. Er ist es längst.
Betitelte Bilder unterstützen die Vorstellungskraft, wobei das schriftstellerische Vermögen längst die Fantasie gefangen genommen hat.
Kein Wunder, bei Sätzen wie:
„Der Tempel ist ein gigantischer Fleischwolf und schreit nach Futter.“
Verständlichkeit
Der Bericht ist kurzweilig erzählt und gespickt mit persönlichen und nachvollziehbaren Eindrücken. Trotz der anderen Kultur, einer anderen Sichtweise auf das Leben und, um ein Beispiel zu nennen, „reines Essen“, fühlt, hofft und bangt der Leser mit dem Autoren mit. Ja, dieses Buch ist verständlich geschrieben!
Umfang
An keiner Stelle entsteht der Eindruck, dass etwas verkürzt ist oder übersprungen wurde. Dies lässt sich allenfalls dadurch erahnen, dass eine solche Reise nicht vollständig in Papierseiten zu pressen ist. So lässt der Autor offensichtlich gekonnt Unnötiges weg, sodass, um es mit den Worten der Autor auszudrücken zu schnell „ein schmerzhafter Abschied folgt.“ Für ihn am Ende der Reise, für den Leser auf Seite 308.
Qualität
Das Buch ist handlich, die Seiten fest und robust genug auch unterwegs lesbar zu sein. Selbst die im Mittelteil gesammelten Bilder führen nicht zu Beeinträchtigungen beim Blättern.
Bewertung
Zwei Erfahrungserzählungen in einer Geschichte, die abwechselnd erzählt werden entreißen dem Leser das jeweilige Bild, dass sich aufgrund der gut erzählten Handlung vor dem geistigen Auge aufgebaut hat. Die Frage, warum zwei Berichte in einem Buch stehen, führt mich zur Anfangsfrage, zu den zwei ‚Fledermausflügeln‘ des Einbandes zurück. Abgesehen davon entpuppt sich das Buch als farbenfroher, lebenswerter ‚Schmetterling‘
Ich kann dafür keinen Punkt abziehen, besser kann solch eine Reise nicht erzählt werden!
Fazit
Eine verrückte Reise durch Indien? Weit gefehlt. Es ist vielmehr. Dieser Erfahrungsbericht reißt den Leser gekonnt mit in den Strudel der Erfahrungen, Befürchtungen und in die tiefste Gedankenwelt des Autors ohne zu seicht oder theatralisch zu werden.
Ich habe selten so mitgefiebert und würde Andreas einfach nur drücken für dieses Meisterwerk!