Wo Wilson drauf steht ist auch Qualität drin ...wenn auch in unterschiedlichster stilistischer Ausprägung....
1967, im Erscheinungsjahr des großen SGT. PEPPER…-Albums der Beatles, erblickte bezeichnenderweise ebenfalls der seit Jahren im Progressive Rock alles überstrahlende Engländer das Licht der Welt. Erste Erfolge konnte er ab 1987 mit seiner Band Porcupine Tree erzielen, die als psychedelische Rockband begann und als „Pink Floyd der 1990er-Jahre“ gefeiert wurde. Später integrierte sie Einflüsse von Alternative Rock, Prog Rock und härtere Töne in ihren Stil. 2009 erschien mit THE INCIDENT das letzte Album seiner Band (welches die passenden Textzeilen enthält: „I was born in 67, the year of Seargent Pepper and Are You Experienced, it was a suburd of heaven…“).
Nicht umsonst gilt Wilson als Workaholic, denn mit No-Man, Blackfield, I.E.M. oder Storm Corrosion hat und hatte er weitere Projekte mit anderen Musikern am Laufen. Des Weiteren ist er ein gefragter Remastering-Toningenieur, dem die großen Prog Bands der 1970er Jahre wie King Crimson, Yes, E.L.P. oder Jethro Tull ihre Originalbänder zur Verfügung stellten. Seine gefühlvollen Remixes sind mehrfach preisgekrönt.
Darüber hinaus veröffentlicht er seit 2009 immer wieder Soloalben, gekrönt vom fantastischen THE RAVEN THAT REFUSED TO SING (AND OTHER STORIES) von 2013, womöglich DER Prog-Rock-Platte des letzten Jahrzehnts, sowie dem 2015er Album HAND.CANNOT.ERASE., welches bereits in alle möglichen Stil-Richtungen ausfaserte. Eine Inspiration für seine Solowerke waren immer auch die großen Alben der Prog-Gründungsväter, die er zur jeweiligen Aufnahmezeit remixte. Somit sind diese zwei glorreichen Alben tief in der Musik der 70er-Jahre verwurzelt, THE RAVEN… steht z.B. unverkennbar unter einem großen Einfluss von King Crimson.
Mit seinem brandneuen Soloalbum TO THE BONE hat Steve Wilson nun allerdings neue Wege betreten. Davon kündet schon sein Wechsel vom Independent-Label Kscope zum Major Caroline, ebenso wie die Aussage, dass „er ein Popstar“ sein möchte. Seine Bezugspunkte sind somit aktuell nicht mehr die langen Prog-Epen mit virtuosen Soli, raffinierten Rhythmus- und Stimmungswechseln, sondern die dynamischen Art-Pop-Alben der 1980er Jahre. Wilson hat Gefallen an den anspruchsvollen Popalben von Peter Gabriel, Kate Bush, Talk Talk, The The gefunden, dazu hat er aktuell Alben von den gleichgelagerten Bands XTC, Tears For Fears oder Simple Minds remixt: also hochkarätige Popsongs mit tollen Melodien, einer exquisiten Produktion sowie oft anspruchsvollen Lyrics. Steven Wilson konzentriert sich nun auf sein Songwriting und seine melodischen Seite – die er allerdings auch auf seinen früheren Alben und in den Nebenprojekten durchaus schon immer eindrucksvoll präsentierte – spielt mit Gitarre, Bass und Keyboards auch einen Großteil der Songs selbst ein, unterstützt von Drummer Craig Blundell und Pianist Adam Holzman. Spannend ist auch, dass er diesmal mit Paul Stacey einen Co-Produzenten ins Boot holte. Mit Mark Feltham hat er in zwei seiner Songs einen Mundharmonika-Spieler im Team, der in den 80er-Jahren auch auf Alben von Talk Talk und The The spielte. Sein Einsatz in dem das Album eröffnenden Titelsong überrascht ungemein. Digitale Spielereien und Voicesamples führen einen in einen groovenden Midtemporocker mit einem Gitarrensolo Wilsons, bevor ein schwelgerisches Finale „To The Bone“ beendet. Ein starker Opener! Mit popigen Rocksongs wie „Nowhere Now“ oder „Permanating“ sorgt er für gute Laune. Mit Indierockfeeling und härteren Rocksounds lassen Titel wie „People Who Eat Darkness“ oder „The Same Asylum As Before“ aufhorchen. Natürlich dürfen modere Elektroniksounds oder auch Balladen nicht fehlen. Mit den Sängerinnen Ninet Tayeb (in „Pariah“ und „Blank Tapes“) und Sophie Hunger („Song Of I“) liefert er sich stimmungsvolle Duette, die den Sound weiter erweitern. Einen Longtrack mit fast 10 Minuten konnte sich Wilson dann aber doch nicht verkneifen. „Detonation“ entwickelt sich mit digitalen Sounds über treibende Grooves, Streicheruntermalung bis zu einem längeren Instrumentalteil inklusive Gitarrensolo.
Ein nicht zu unterschätzendes i-Tüpfelchen ist natürlich die traumhafte Produktion, die für ein wunderbares HiFi-Vergnügen sorgt. Steven Wilson ist es zweifellos gelungen, ein elegantes und kluges Popalbum im Geiste seiner Vorbilder zu erschaffen, sie teilweise sogar zu übertreffen.
Ob er damit - wie gewünscht - doch noch zu einem „Popstar“ wird?
Wenn man eines erlebt hat, dann, dass bei Steven Wilson nichts unmöglich ist.