Längst überfällige Herausgabe auf CD
Elena Souliotis (1943 - 2004), Sopranistin griech./russ. Herkunft und aufgewachsen in Argentinien, hat in der 1960er Jahren eine der erstaunlichsten und gleichzeitig tragischsten Opernkarrieren des vergangenen Jahrhunderts gemacht. Sie studierte bei Mercedes Llopart in Mailand, die auch Renata Scotto, Anna Moffo, Fiorenza Cossotto und Alfredo Kraus unterrichtet hat. Ihr Schallplattendebüt erfolgte 1964 (!) als Abigail (!) in Verdis NABUCCO. Im Verlauf der folgenden knapp 10 Jahre ließ sie es zu, dass ihre Stimme gnadenlos verheizt, überstrapaziert und Anfang der 1970er Jahre völlig ruiniert wurde. Immerhin hat sie es in dieser kurzen Zeit 6 Mal für Opern-Gesamteinspielungen und 1 Mal für ein Arien-Recital ins Studio geschafft. Daneben kursieren ca. 15 Live-Mitschnitte, die jedoch größtenteils schwer zu beschaffen sind. 1968 sang die 25-Jährige im Studio in Rom die hier besprochene Titelpartie in Bellinis NORMA mit respektablem Ergebnis. Sie verfügt nicht über die Instinktsicherheit der Callas, und auch ihr stimmliches Material ist nicht so wandlungsfähig. Dennoch bietet sie ein überzeugendes Portrait der Norma als Kriegerin - mit der Mutterrolle tut sie sich schwerer, weil ihr zuweilen die Zwischentöne fehlen. Trotzdem: für eine Sängerin dieses Alters ohne langjährige (Bühnen)Erfahrung: erstaunlich, mitreißend, fulminant, grandios. Sie singt tatsächlich alle Töne vom hohen D''' bis in baritonale Tiefen mit einem Register. Das macht unglaublichen Effekt, erklärt aber auch den raschen Niedergang dieser Prachtstimme. Fiorenza Cossotto ist als Adalgisa eine Klasse für sich. Besser kann man diese Rolle kaum singen. Carlo Cava gibt den Oroveso mit sonorem Klang, aber etwas unruhiger Stimmführung. Mario del Monaco ist als Pollione wenig differenziert, moduliert im Ausdruck fast gar nicht und irritiert durch die bei ihm üblichen rhythmischen Ungenauigkeiten. Allerdings besticht er immer noch durch seine strahlende Höhenlage und fügt sich so eigentlich gar nicht so schlecht in dieses großkalibrige Stimmen-Ensemble. Silvio Varviso dirigiert leider nur routiniert und ohne hörbare Inspiration. Die Oper ist grässlich gekürzt, kein einziger Strich ist geöffnet, das Werk wirkt dadurch sehr komprimiert und wuchtiger als in Vergleichsaufnahmen. Trotz einiger Vorbehalte (und obwohl man bei NORMA immer die Callas im Ohr hat) : schon wegen Souliotis unbedingt empfehlenswert!