Endlich eine "Pompadour" - nur leider klangtechnisch verheerend...
Leo Falls "Madame Pompadour" - das ist eine der besten, schmissigsten und witzigsten Operetten des frühen 20. Jahrhunderts. Die (leider) einzige Operette Leo Falls, die sich bis heute auf den Spielplänen hält und sich beim Publikum großer Beliebtheit erfreut.
Da ist es dann schon beinahe verwunderlich, das bis heute nicht eine wirkliche Gesamteinspielung für CD produziert wurde, und diese Lücke jetzt wunderbar durch JPC hätte geschlossen werden können, ein Label, das sich wie kein anderes in letzten Jahren um (zu Unrecht) vergessene Operetten und deren Komponisten verdient gemacht hat.
Deshalb erst einmal große Freude bei der Ankündigung JPCs, nun eine "Pompadour" aus der Wiener Volksoper zu veröffentlichen - eine Freude, die beim ersten Hören bereits nach wenigen Minuten nur noch Enttäuschung übrig lässt. Doch woran liegt das?
1.: Die Tonqualität:
Ich habe selten eine Aufnahme in den Händen gehalten, deren Tonqualität so miserabel ist, wie diese "Pompadour". Die Aufnahme wurde offensichtlich live in der Volksoper mitgeschnitten und hört sich stellenweise (besonders in den Finali) so an, als handele es sich um den illegalen Mitschnitt eines Zuschauers aus dem dritten Rang. Das Orchester deckt die Sänger zu, es rumpelt und pumpelt auf der Bühne, und dreht sich ein Sänger weg vom Mikrofon, ist er fast gar nicht mehr zu hören bzw. zu verstehen. Die Textverständlichkeit leidet enorm unter der schlechten Tonqualität - und dabei wäre die bei dem guten Textbuch der "Pompadour" doch wirklich wichtig.
Dass Live-Aufnahmen auch anders klingen können, hat CPO bei seiner Aufnahme von Johann Strauß "Karneval in Rom" aus dem Theater Heilbronn bewiesen, wo nicht eine Tonschwankung und nicht ein Bühnengeräusch die Klangqualität stören. Das wäre für die "Pompadour" so wünschenswert gewesen!
2.: Die Edition:
Man hat sich bei JPC offensichtlich dazu entschlossen, die "Pompadour" live mitzuschneiden - allerdings ohne die Dialoge. Nun ist die "Pompadour" ja doch eine eher textlastige Operette, in der sich - gerade auch in den Finali - gesprochener Text und Gesang unlöslich miteinander verbinden. Das heißt für die Aufnahme: Eine Musiknummer nach der anderen, dazwischen Applaus und dann vor dem Beginn der meisten Nummern noch ein paar Dialogfetzen, die man halt nicht rausschneiden konnte, weil sie schon über der Musik liegen, die aber so völlig aus dem Zusammenhang gerissen sind. Da stellt sich einfach wenig Stimmung ein. Die Finali sind dann ganz (mit allen gesprochenen Textpassagen) eingespielt, schweben aber irgendwie im Nichts, da sie dramaturgisch nicht vorbereitet werden. Am deutlichsten wird dies im dritten Akt: Nach dem "Entr'acte" folgt das Lied der Pompadour "Dem König geht's in meinem Schachspiel" zur Gitarrenbegleitung (Warum auch immer...), das sich anschließende Buffo-Duett "Wenn die Kirschen wieder reifen" ist dann komplett gestrichen und es schließt sich nur noch das über die Musik gesprochene Finaletto an, welches so die Operette absolut unbefriedigend beschließt, da sich aufgrund der Kürzungen und Schnitte dramaturgisch einfach keine Spannung aufbauen kann.
3.: Künstlerische Leistungen:
Annette Dasch als "Pompadour" - das klingt ja erst einmal spannend. Tatsächlich meistert sie die Rolle der Marquise nur in Ansätzen befriedigend. Auch wenn man über die "Pompadour" immer wieder sagt, dass das ja (aufgrund der ausgedehnten Textpassagen) eigentlich eine Operette für Schauspieler sei, wird man gerade an der Interpretation der Dasch gewahr, dass man für die Pompadour nicht nur eine exzellente Schauspielerin braucht, sondern auch eine absolute Spitzensängerin. Beides leistet die Dasch nicht wirklich - sie singt sich standhaft durch die Partie, ohne erotische Tiefen und ohne elektrisierende Höhen - und das Schauspielerische liegt ihr leider auch gar nicht: Selten haben die pointierten Couplets der Pompadour im dritten Akt so banal und vulgär geklungen, wie in dieser Aufführung - vielleicht müsste man hierfür auch den Regisseur zur Mitverantwortung ziehen.
Als weiterer großer Name zieht natürlich Heinz Zednik, der sich in Wien noch einmal an der kleinen und urkomischen Rolle des Königs versuchen durfte. Hätte er es lieber nicht getan: Stimmlich total überfordert, bleibt nichts von der Komik der Rolle übrig. Mit dem letzten Ton des Königs im Finale des zweiten Aktes sollte dieser verdiente Sänger seinem Publikum so nicht im Gedächtnis bleiben.
Mit Mirko Roschkowski hat die Wiener Volksoper einen tapferen René, der sich (mit einigen beherzt gestemmten Spitzentönen) wacker durch seine Rolle singt - auch hier wird wieder klar, dass die "Pompadour" eine Sängeroperette ist.
Als Dirigent der Aufnahme hält Andreas Schüller das Ensemble zusammen, ohne groß auf Operettenschwung zu setzen. Bei ihm gibt es entweder "ganz langsam" oder "ganz schnell" - was besonders eigentümlich beim Kracher der Operette, dem famosen Duett "Josep, ach Joseph, was bist du keusch" zur Geltung kommt: Das wirkt beinahe so, als wäre der Dirigent am Ende der Nummer durch den Applaus aufgeweckt worden und wolle die verlorene Zeit im Abtanz wieder hereinholen....
Ein Fazit:
Was bleibt von dieser Aufnahme? Irgendwie nicht viel. Nachdem ich den ersten Akt gehört hatte, verschwand die CD erst einmal für zwei Wochen in meinem Regal, weil ich einfach keine Lust mehr auf den zweiten und dritten Akt hatte. Nach dem erneuten Herausholen der CD und einem kompletten Durchgang, ging es mir mit der Aufnahme auch nicht wirklich besser.
Es ist einfach schade, dass hier die Chance, diese wunderbare Operette endlich in einer ersten Gesamteinspielung herauszubringen, so gründlich vertan worden ist - ich glaube nicht, dass es in absehbarer Zeit eine weitere Neueinspielung geben wird. Bei aller Dankbarkeit gegenüber CPO für so viele wunderbare Operettenentdeckungen, hier hätte man sich einfach etwas Endgültigeres mit Referenzcharakter gewünscht.
Alternativen:
Will man Falls "Madame Pompadour" hören, so bleiben einem bis heute nicht viele Möglichkeiten:
- Ein EMI-Querschnitt mit Melitta Muszely, Rudolf Schock und Karl-Ernst Mercker unter der Leitung von Werner Schmidt-Boelcke. Toll musiziert und mit viel Schwung - aber eben leider sehr lückenhaft bei einer Gesamtdauer von ca. 10 Minuten.
- Eine Gesamteinspielung des ORF aus dem Jahr 1962 mit Gerda Scheyrer, Kurt Equiluz und Franz Borsos in den Hauptrollen unter der Leitung von Max Schönherr. Eine eigentlich gute und relativ vollständige Aufnahme, die aber vor allem den schauspielerischen Aspekt der Operette betont, was manchmal zu Lasten der Musikalität geht. Die Aufnahme wurde vor kurzem von LINE veröffentlicht, leider ohne jedes Remastering, was man der Aufnahme auch anhört.
- Der auf LP erschienene Soundtrack zur Operetten-Verfilmung des ZDF mit Ingeborg Hallstein, Adolf Dallapozza, Hans Clarin und Julia Migenes unter der Musikalischen Leitung von Wolfgang Ebert. Eine recht schmissige und stimmige Einspielung mit Leistungen, die durchweg schauspielerisch als auch musikalisch überzeugen. Die Musiknummern werden durch Dialoge aus dem Film sowie durch Erzählungen von Calicot (Hans Clarin) sinnvoll miteinander verbunden. Einziger Wehmutstropfen: Wie zu der Zeit üblich, wurde die Instrumentierung (verhältnismäßig moderat) dem Geschmack der 70er Jahre angepasst. Es gibt keine Veröffentlichung auf CD.
- Letzte und beste Einspielung: Der WDR hat in den 80er Jahren (?) eine wunderbare nahezu vollständige Einspielung der Operette mit René Kollo und Ruth-Margret Pütz unter der musikalischen Leitung von Curt Cremer
produziert, die jedoch nie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde und dort in den Archiven schlummert. Bei dieser Aufnahme stimmt musikalisch alles - sie hat Schwung, ist wunderbar ausmusiziert und sie verbindet das Musikalische mit dem Schauspielerischem. Verzichtbar scheint einzig und allein die Rahmenhandlung, in welcher sich ein Ehepaar die Geschichte der Operette erzählt. Eine kommerzielle Veröffentlichung dieser Aufnahme wäre eine kleine (wünschenswerte) Sensation...