"Beethovenmaschine": voller Energie - aber die Poesie fehlt
Die Kritiker überschlagen sich gerade einmal wieder, eine "Referenzaufnahme" soll das sein... -
für mich nicht.
Ich bin vielleicht verwöhnt, seit vielen Jahren suche ich nach den packendsten, berührendsten Aufnahmen von Beethovens Streichquartetten, kaufe oft Gesamtaufnahmen und habe nur die (in meinen Augen) besten behalten.
Ich mag spröden Klang - Schluchzer, Portamenti und vibratoreiches Spiel klingen für mich unnatürlich und berühren mich gar nicht.
Ich habe daher z.B. wieder abgegeben die Gesamtaufnahmen vom Neuen Leipziger Streichquartett, vom Gewandhausquartett (ziemlich grässlich...), vom Guarneri-Quartett,...
Wegen zu kühlem, sachlichem Spiel dagegen flogen wieder raus z.B. das Vermeer- Quartett oder das für mich völlig überbewertete Emerson-Quartet (wie bei Shostakovichs Quartetten) - dieses Quartet kann mich nie berühren (und will wohl auch gar nicht, so glatt und poliert und kalt spielen sie...).
Im Regal übrig geblieben sind dagegen noch das Quartetto Italiano (ruhig, groß, schön, oft sehr langsam - und trotzdem ohne jeden Kitsch, sondern eher spröde),
das Cleveland-Quartett (die haben knapp die Auryns verdrängt und das wunderbar "elegante", aber für mich zu glatte Takacs-Quartett) - man hört sofort, das hier Menschen Musik machen, und das Cleveland-Quartett singt (und tanzt sogar manchmal...) Beethoven! (Außerdem z.B. das Bush-, Vegh-, Mosaiques-, Turner- und Fitzwilliam-Quartett, zum Teil mit nur einzelnen CDs). Die langsamen Sätze sind beim Cleveland-Quartett oft nicht so berührend - aber dafür gibt es ja das Belcea-Quartett. Meine Aufnahme für die einsame Insel...
Hier spielen die Musiker beispiellos differenziert und gefühlvoll ohne jeden Kitsch, oft zart und leise, spröde und zurückgenommen - und nie klingt das gewollt oder unnatürlich - eine Aufnahme, wie ich sie immer erträumt und bis dahin nicht gefunden hatte. Ich empfehle als Test den langsamen Satz (den "heiligen Dankgesang") aus op.132 - nie habe ich den annähernd so ergreifend gehört...
Und nun endlich zum Quartetto di Cremona:
Der Klang ist toll. Und Kitsch gibt es hier nicht.
Alle vier Stimmen klingen oft gleichwertig, Klänge werden aufeinander und nebeneinander gestellt und reiben sich -
das klingt stark, voller Energie, und in den Kritiken findet man immer wieder Worte wie "energiegeladen", "feurig", "temperamentvoll", "Furor" - ja, die sind da! Und wie!
Vor 10 Jahren wäre diese Gesamtaufnahme vielleicht sogar mein Favorit gewesen - da hatte ich andere Vorlieben...
Doch vergleicht man einen der langsamen Sätze - da reicht schon jeder einzelne langsame Satz aus den 6 Quartetten opus 18 - mit einer anderen hervorragenden Aufnahme, dann wird das Defizit der Cremoner erschreckend deutlich:
diese Musik atmet nicht!
Das Quartetto die Cremona "singt" nicht, wo Beethoven singt,
es wird nicht leise, wo andere eine Melodie sanft zu Ende bringen,
und viel zu oft hatte ich das Gefühl, dass alle Stimmen immer gleich wichtig sind - während sich ganz besonders bei den Belceas, aber auch dem Cleveland-, Auryn-, Takacs-, und so weiter oft drei Stimmen zurück nehmen, um einer den Vorrang zu lassen.
Und die Bedeutung von Pausen, von Stillstand - und vom "richtigen" Wiederaufnehmen einer Melodie haben (in meinen Augen) andere viel besser erkannt als de Cremoner, deren hauptsächliches Ziel es immer wieder zu sein scheint, die Energie, den Vorwärtsdrang - und sogar die Härte und Kompromisslosigkeit, die zum Teil in Beethovens Musik steckt - wirklich aus jedem Satz herauszuarbeiten. Und die dabei gar keine Ruhe oder Gelassenheit in der Musik finden.
Und das klingt dann oft wie Arbeit - und nicht wie Musik, die von Menschen gemacht wird, um unsere Herzen zu berühren...
Wie Kritiker hier von "Menschlichkeit", "geistiger Durchdringung" oder "Erschütterung" schreiben können, bleibt mir unverständlich. Mein Herz zumindest erschüttert Beethoven viel eher in den Händen des Belcea-Quartetts -
und mit den Cleveland-Opas tanzt es manchmal...
Gemessen an den Besten ist mir diese Einspielung immerhin trotzdem 4 Sterne wert...