Lichtblick unter den erreichbaren Molière-Inszenie
Es ist kaum zu fassen: der brillanteste, ironischste, bissigste, witzigste, durchtriebenste, peppigste Komödiendichter unter den Klassikern wird bei uns kaum gespielt. Und wenn, dann wiederholt in Inszenierungen, die dem erfrischenden, manchmal beklemmenden, oft erlösenden Witz dermaßen den Garaus machen, daß man sich an den Kopf faßt und fragt, ob die Regisseure noch alle beieinander haben und ob es noch Schauspieler gibt, die das entwickeln können, was man fachsprachlich einmal die vis comica, die komische Kraft, nannte. Klamauk und Klamotte, faxenhaften Aktionismus, leere Hyperbeweglichkeit gibt es da, auch unangebrachte Versuche, das Groteske mit Tragik aufzuladen, aber nur selten Darsteller, die das so spielen oder spielen dürfen, daß das Herz lacht und die Bäuche und die Wände wackeln.
Einer der großen Komödianten, die das Maß fanden, war der 1920 in Berlin geborene, lange in Trier wirkende ehemalige Gründgensschüler Günther Reim. Sein Eingebildet Kranker prägt bis heute bei vielen, die ihn live erlebten, das Bild prallen, pointierten Molièrespiels.
Und dann eben Louis de Funès. Sein Minenspiel und seine koboldhafte Beweglichkeit spiegeln punktgenau die inneren Abläufe, die Existenzangst, die Neurose, das Verschlagene, das insistierend Bösartige Harpagons.
Unvermeidlicherweise gibt es zwei Faktoren, die den Genuß schmälern. Das Französische spricht sich schneller. Das hat zur Folge, daß in der wortgetreuen Übersetzung der Langfassung die Synchronsprecher unter Dauerdruck geraten. Ein Einblenden des französischen Originals zeigt, daß da flüssig, aber nicht hastig artikuliert wird. Die gekürzte Synchronfassung von 1980 entspricht dagegen bekanntermaßen Molières Welt noch weniger als Enzensbergers Übertragung des Misanthropen, wenn sie auch wie diese ihr Vergnügliches hat.
Das gesamte Ensemble dieser DVD begeistert. Genau erfaßte Typen und Charaktere. Eine hinreißende Inszenierung mit wenigen, dem Medium Film geschuldeten, fugenlos integrierten Außenaufnahmen und pantomimischen Einsprengseln. Molière hätte seine Freude gehabt.