Kammer-Raritäten
Stücke, die direkt für ein Duo aus Steh- und Kniegeiger geschrieben sind, gibt es nicht sehr viele. Auf der vorliegenden CD sind drei solcher Werke vom Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts von Komponisten aus verschiedenen Regionen Europas enthalten. Diese Zeit war der Beginn der Entwicklung einer einzigartigen stilistischen Vielfalt. Kodály mit seinem Sinn für Folklore, der französische Spätklassiker Ravel mit viel Experimentierfreude und Schulhoff mit seiner Nähe zur zweiten Wiener Schule spiegeln den unterschiedlichen europäischen Zeitgeschmack wider. Das ist das Interessante an dieser CD. Die Interpretationen verlangen eine gewisse Physis, die die beiden Künstler zweifellos mitbringen. Sie spielen die Stücke so, wie sie diese auf der Bühne vor Publikum spielen würden. Mit dynamischen Überhöhungen, auf Effekt bedacht. Die Geige singt, das Cello wird mehr traktiert. Für den normalen Hörer unterhaltsam. Für Puristen nicht so geeignet. Die Halvorsen-Passacaglia, die mehr ein Variationssatz ist, bleibt romantische Zugabe.
Die Künstler sind im Konzertbetrieb etabliert und häufig auf der Bühne, allerdings weniger miteinander, zu erleben. Sie gehören zu den Spitzenkünstlern der aktuellen Solistengarde. Die Stücke kommen kaum aufs Podium. In den vielen Veranstaltungen, die ich in den letzten Jahren besucht habe, wurden sie nicht gespielt. Der Halvorsen gelegentlich schon. Der Booklet-Text ist als Interview gestaltet und für den Leser unterhaltsam. Neue Klassik ist kein Mozart, aber trotzdem hörenswert.