Gelungener Querschnitt
Nikolai Rimski-Korsakow gilt heute als akademischer Vertreter der sogenannten mächtigen Fünf, einer Gruppe russischer Komponisten, die sich auf Anregung Glinkas vom westlichen Stil lossagen und das russische Idiom in ihrer Musik vorherrschen lassen sollten. Theoretisches Wissen war überbewertet, die Musik des Volkes feierte Urstand. Korsakow schrieb seine erste Sinfonie ohne kompositorische Kenntnisse. Die Orchestrierung übernahm ein Anderer aus der Gruppe und ein Weiterer lobte das Werk in den Himmel, weil im zweiten Satz ein russisches Volkslied Verarbeitung fand. Zehn Jahre später war der Komponist Professor für Komposition, hatte umfassend studiert, Lehrwerke geschrieben, seine Jugendwerke überarbeitet und Stücke anderer Kollegen revidiert. So kann es gehen. Die hier vorliegenden Aufnahmen sind zum Teil überarbeitete Endfassungen. Außer der dritten Sinfonie, die liegt in erster Überarbeitung vor. Rimskis Werke sind farbenfroh, stimmungsreich, mitreißend und loten die Klangmöglichkeiten des Orchesters aus. Viele kleine Solopassagen einzelner Instrumente haben Symbolcharakter. Die meisten Stücke sind Programmmusik. Rimski ist der Märchenonkel unter den russischen Komponisten. Dmitri Kitajenko ist eine der absoluten Kapazitäten im russischen Repertoire. Seine ersten fünfzig Lebensjahre hat er in der Sowjetunion verbracht und eben dieses Repertoire gepflegt. Die Aufnahmen stammen aus seiner Bergener Zeit in den Neunzigern. Das Bergen Philharmonic aus Norwegen (nicht das gleichnamige Orchester aus New York) gehört zu Europas ersten Adressen. Der Chandos-Vertrags-Pianist Geoffrey Tozer, ein leider früh verstorbenes, australisches Wunderkind mit ausgeprägtem Geschäftssinn, beherrscht das Klavierkonzert grandios. Die sehr gelungenen Aufnahmen sollten Lust darauf machen, sich mehr mit Rimski-Korsakow zu befassen.