Berliner Romantik
Ernst Rudorff war ein Kind aus vermögendem Hause. Humanistische Bildung, Kunst und Kultur, Freundschaften in der Künstlerszene, geebneter akademischer Weg - alles vorhanden. Wenn er nicht gerade Bäume rettete oder Briefe schrieb, komponierte er auch. Und das in einem gewissen Personalstil. Die im Begleitheft erwähnte Bemerkung Eduard Hanslicks, Rudorff sei ein Anhänger der musikalischen Dreieinigkeit Synkope, Vorhalt und Dissonanz, ist unüberhörbar. Er soll Traditionalist gewesen sein. Das Alte bewahren. Alles Neue wird schlechter. In seinen Heimatschutzvereinen hatten Juden und Frauen nichts verloren. Daran nahm zu seiner Zeit niemand Anstoss. Musikalisch gehörte er zu den Brahms-Anhängern. Keine Programm-Kompositionen. Die vielen Sprünge, kurzen dynamischen Episoden, langen Synkopen-Reihen und plötzlichen Ausbrüche und Wendungen machen seine Musik auf der einen Seite abwechslungsreich, andererseits laufen die Stücke dadurch nicht rund. Die h-Moll-Sinfonie ist dafür ein gutes Beispiel. Die Orchestervariationen, die fünfunddreißig Jahre älter sind, funktionieren anders. Sie entsprechen dem Zeitgeschmack und sind vom Publikum leichter zu erfassen. Die Aufnahmen sind musikalisch wie technisch gut gemacht. Es ist erstaunlich, wie sicher Maestro Beermann das Orchester durch den Synkopenwald führt. Das Begleitheft hat einen interessanten und allgemein verständlichen Text. Rudorff wird kaum auf die Bühne kommen. Das Volk kennt ihn nicht und die meisten Dramaturgen und Musiker wohl auch nicht. Trotzdem eine schöne Platte für den Sonntagnachmittag.