Qualität statt Quantität
Es ist schon erstaunlich, wie unterschiedlich die Ansätze (und deren Ergebnisse) innerhalb ein- und desselben Konzerns, Universal Music, sein können. Am Beispiel der Vermarktung der Aufnahmen Karajans lässt sich das sehr gut verdeutlichen. Insofern bitte ich etwas um Geduld und um Entschuldigung für den kleinen Exkurs - die Rezension der Brahms-Box folgt danach.
Anlässlich des 110. Geburtstags Karajans hat sich die Deutsche Grammophon/Universal (Europa/USA) dafür entschieden, mit einer fast monströsen Luxus-Ausgabe ('Karajan - Complete Recordings on DGG and DECCA') ein Zeichen zu setzen. Rekordverdächtig an dieser Ausgabe dürfte aber wohl in erste Linie die physische Präsenz (ca. 16 kg) sein, denn in klanglicher Hinsicht wird hier nur bisher Vorhandenes (Karajan 60s, 70s, 80s etc.) zusammengebunden - und zwar ohne klangliche Veränderung/Remastering. Man hat wohl bewusst darauf verzichtet, allen Aufnahmen ein Remastering nach dem aktuellen Stand der Technik zu geben. Das Original Image Bit Processing kann wohl kaum noch als Referenz gelten, denn spätestens seit 2012 gibt Universal Music JAPAN bei den Emil-Berliner-Studios (EBS) hochauflösende DSD-Remasterings unter Verwendung der alten Originalmasterbänder in Auftrag. Diese Auftragsarbeiten münden in die Produktion der SHM-SACDs von Universal Music Japan. In der Regel handelt es sich hierbei um Remasterings mit 24Bit/192 kHz als Basis. Zum Vergleich: die alten OIBP-Remasterings wurden auf Basis von 24Bit/96 kHz durchgeführt. - Da sich die Unternehmenssparten Europa/USA und Japan offensichtlich nicht austauschen, sind diese neuen 'Premium-Remasterings' bis auf ganz wenige Ausnahmen nur dem japanischen Markt (in Gestalt der SHM-SACDs) vorbehalten.
In klanglicher Hinsicht scheint man seitens Universal Japan offenbar sehr viel qualitätsbewusster als im Rest der (Universal-Music-)Welt zu sein, denn die recht aufwendigen DSD-Remastering bei den EBS werden aktuell weiter vorangetrieben - seit August ausnahmlos mit Analog-Aufnahmen Karajans (vgl. Produktempfehlungen).
Die neueste Produktion aus Japan ist nun die 2-SACD-Box mit den 4 Brahms-Sinfonien sowie den Haydn-Variationen und der Tragischen Ouvertüre. Die Aufnahmen stammen aus den späten 1970er Jahren. Nur die Haydn-Variationen sind von 1964. Die beiden SACDs (Non-Hybrid, daher nur auf SACD-Playern abspielbar) sind randvoll bespielt (98 bzw. 90 Minuten). Das Cover orientiert sich - wie die Vorgängerboxen aus dieser Reihe - an den entsprechenden LP-Boxen der damaligen Zeit. Mit anderen Worten: Cover, die man lange nicht mehr gesehen hat!
Der klangliche Zugewinn ist gut hörbar. Offenbar wurde in allen Fällen vollständig neu remastert und abgemischt. Das Klangbild wirkt auf mich sehr angenehm, da es im Gegensatz zu einer früheren SHM-SACD, die bereits die 2. und 3. Sinfonie enthielt, etwas anders - ich finde harmonischer und transparenter - abgemischt wurde. Von einem breiigen oder dumpfen Klang ist nichts mehr zu merken (gelegentlich wurde Karajans Brahms-Zyklus aus den 70ern in dieser Hinsicht kritisiert). 'Mehr' in klanglicher Hinsicht kann man aus den alten Masterbändern nicht mehr herausholen. Den EBS ist hier erneut eine bemerkenswerte Arbeit gelungen, die SACD-fähigen Karajan-Freunden wärmstens ans Herz gelegt werden kann!
Abschließend noch ein kurzer Ausblick auf kommende SHM-SACD-Produktionen (nur Karajan/BPO bei DGG) - alles von und durch Universal Music Japan in Auftrag gegeben und produziert:
Mahler: 9. Sinfonie (Studioaufnahme 1979/80) - erscheint 22.11.2017
Das "Marschalbum" - erscheint 22.11.2017
Schostakowitsch: 10. Sinfonie (1966) - erscheint Ende Dezember 2017
Mendelssohn: 5 Sinfonien (1971/73) - erscheint Ende Januar 2018
Bruckner: Sinfonien 4, 5, 6 (1970er Jahre) - erscheint Ende Januar 2018