Mission missglückt!
Händels Orgelkonzerte mit einem Klavier oder Cembalo als Soloinstrument zu spielen ist entgegen der von dieser Aufnahme vorgegebenen Weltpremiere kein Novum, aber doch immerhin bisher eine diskographische Leerstelle gewesen. Eine Schließung dieser Lücke durch eine gelungene Aufnahme wäre in jedem Fall höchst wünschenswert gewesen, da seit Jahren nur einige Konzerte des Op. 4 mit Huguette Gremy-Chauliac bzw. 2 Konzerte des Op.7 mit Wolfgang Glüxam als Cembalosolisten verfügbar sind. Natürlich kann man den Solopart mit einem Klavier spielen, was Ragna Schirmer auf einer Ihrer CDs auf einem Hammerflügel des 18. Jahrhunderts auch kongenial gelingt. Auf einem modernen lautstärkeren Flügel ist es wegen seiner länger klingenden Einzeltöne und seines obertonärmeren Klanges schwieriger die Tonsprache des Komponisten zu realisieren, aber doch möglich wie Ragna Schirmer mit Ihrer Einspielung der Händel’schen Klaviersuiten gezeigt hat.
Der Pianist dieser Aufnahme bekennt zwar die Notwendigkeit, sich mit der Aufführungspraxis des 18. Jahrhunderts auseinanderzusetzen, hat dies aber nur unzureichend getan. Pianist und Orchesterleiter haben nicht verstanden, dass Musik des 18. Jahrhunderts immer Tanzcharakter hat und Klangrede ist. Flotte, manchmal schon abgehetzte Tempi sind noch lange keine historische Aufführungspraxis, vor allem, wenn Orchestereinsätze bei einer Steigerung der Lautstärke unmotivierte Tempobeschleunigungen aufweisen so als würden dem Dirigenten die Pferde „durchgehen“.
Wie Händel wahrscheinlich seine Ausgestaltung gewählt hat, kann man aus der Beschäftigung mit seinen Klaviersuiten entnehmen. Ragna Schirmer als nicht speziell „historisch informierte“ Solistin führt dies in Ihrer Aufnahme von Konzerten des op. 4 mustergültig mit herrlich inegalem Spiel in den langsamen Sätzen und doch stets präsentem Tanzmetrum vor. Kirschnereits spontan improvisierte Verzierungen sind immer wieder unpassend nur im Dienste der Virtuosität, nicht aber der Musik. Im übrigen spielt er höchst diskantlastig, als wäre Händel nicht auch polyphon. Die Bassstimme hätte er wie Ragna Schirmer im Geiste Händels ausarbeiten müssen, da diese für die Orgel nur viele liegen gelassene Töne enthält. Der mulmige, wenig prägnante Bass des Instruments tut ein Übriges, um die Klavierstimme flach und monophon wirken zu lassen. Händels Konzerte leben aber gerade von Imitation und Gegenrede musikalischer Phrasen, die sich konzertierende Instrumente, das gesamte Orchester sowie Bass und Diskant des Pianisten zuwerfen.
Man kann nur hoffen, dass mindestens einer der Protagonisten die „Konkurrenzaufnahme“ von Ragna Schirmer hört und dann die Entscheidung trifft, der Musikwelt eine Einspielung des op. 7 in dieser Besetzung zu ersparen. So etwas kommt eben heraus, wenn ein Produzent eines Labels trotz zahlreicher historisch informierter Aufnahmen im Programm eine Auftrag an Musiker vergibt, die wegen mangelnder Erfahrung mit Musik des 18. Jahrhunderts zunächst den Auftrag gar nicht annehmen wollten…