Wichtiges diskographisches Ereignis
Für Liebhaber der Musik von J.S. Bachs jüngstem Sohn ist dieser Herbst besonders lohnend: Zeitgleich mit der ersten Referenzaufnahme seiner letzten Oper Amadis de Gaule (siehe meine Kritik) veröffentlicht das kleine Label Outhere die Weltersteinspielung von Zanaida aus dem Jahr 1763. Die bislang verschollen geglaubte Partitur fand sich zufällig in den Beständen eines US-Sammlers und konnte letztes Jahr in Bad Lauchstädt zum ersten Mal seit fast 250 Jahren wieder dem Publikum vorgestellt werden. Die Oper ist in mehrerer Hinsicht bemerkenswert: Zum einen ist sie für die wohl singuläre Besetzung von 6 Sopranen, einem Mezzo sowie 2 Tenören komponiert, dauert aber nur gute 2 Stunden, da sie keinerlei Dacapoarien enthält, was für eine Opera seria dieser Zeit eine Sensation ist. J.C.Bach experimentiert mit meist sehr knappen zwei- oder dreiteiligen Formen, wobei die Arien nur zwischen 2 und 4 ½ Minuten dauern. Mit dieser zu seiner Zeit recht radikalen Lösung stellt Bach einen durchaus eigenen Weg der Opernreform dar, der ganz anders als Glucks Intention ist, weil er die relativ starre Abfolge von Rezitativ und Arie nicht antastet, die Form in sich aber grundlegend erneuert. Der im (übrigens recht mager geratenen) Beiheft vertretenen These, dass diese neue Kürze an den bis auf die damals von A. de Amicis verkörperten Titelrolle überwiegend zweitrangigen Interpreten liegt, muss eindeutig widersprochen werden, denn auch die kleineren Rollen sind gespickt mit teils abenteuerlichen technischen Schwierigkeiten und verlangen erste Kräfte.
Hier liegt auch das Problem der vorliegenden Live-Aufnahme: Obwohl alle Sänger gute bis sehr gute Leistungen bringen, merkt man doch oft bei Koloraturen und Spitzentönen die Grenzen der stimmlichen Möglichkeiten. Sara Hershkowitz als Zanaida agiert hierbei am überzeugendsten, wenn auch nicht hundertprozentig makellos. Eine durchgehend erstklassige Aufführung dieser Oper wird wohl immer an der übergroßen Zahl der nahezu gleichrangig behandelten Protagonisten scheitern
Musikalisch enthält die Oper zahllose kleine Juwelen. Die im alten Persien angesiedelte und durch die neun Darsteller bis zur Karikatur verworrene Handlung dient einzig und allein dazu, verschiedene Emotionen zu generieren, die dann in den Arien zum Ausdruck kommen. Und wie J.C.Bach den Seria-Katalog von Wut, Sehnsucht, Freude und Verzweiflung zum klingen bringt ist höchst eindrucksvoll und macht wieder einmal klar, dass Mozart ohne sein Vorbild nicht zum dem Giganten geworden wäre, den wir heute bewundern. Besonders reizvoll sind die obligaten Bläserstimmen behandelt, allen voran die damals noch sehr ungewöhnlichen Klarinetten, die der Orchesterbegleitung eine Tiefe und Farbe geben, die es zur damaligen Zeit nur selten gab. Das Originalklangensemble unter David Stern erweist sich hier als hervorragender Klangkörper. Trotz kleiner Einschränkungen im vokalen Bereich ein wichtiges diskographisches Ereignis, klare Kaufempfehlung.