Ambitioniert, aber misslungen
Die Verfilmung des Lebens Richard Wagners durch Tony Palmer 1983 war die bislang ambitionierteste Unternehmung zu diesem Thema. Natürlich muss in knapp acht Stunden Film vieles aus diesem an Höhen und Tiefen überreichen Lebensweg weggelassen oder zugespitzt werden. Ich erinnere mich, als Teenager die damaligen Fernsehfolgen mit Interesse, aber ohne nachhaltigen Gesamteindruck gesehen zu haben und war nun sehr gespannt, das Opus nach über 30 Jahren nochmals zu erleben.
Mit der Hauptfigur, Richard Burton, steht und fällt dieses Projekt. Burton spielt den großen Komponisten mit der hölzernen Eindimensionalität eines viktorianischen Unteroffiziers. Man ist aus zahllosen Quellen über das geschmeidige, quecksilbrige Wesen Wagners, das sich in ungebremsten Redefluss, starker Mimik und Motorik sowie ausgeprägtem, teils überdrehtem Humor manifestierte, bestens unterrichtet. Nichts, aber auch rein gar nichts davon verkörpert der damals 57-jährige, stets militärisch barsch und humorlos auftretende Burton, der Wagner über eine Periode von 40 Jahren darzustellen versucht, was allein schon aus physischen Gründen nicht funktionieren kann. Während dank Maske und Kostüm der alternde Wagner noch einigermaßen glaubhaft wirkt, scheitert die Darstellung des jungen Revolutionärs völlig.
Ludwig II und die großen Frauenrollen werden relativ überzeugend dargestellt, wohingegen andere Figuren völlig aus den Fugen geraten. So war z.B. König Friedrich August II. kein seniler Greis, sondern zu Wagners Kapellmeisterzeit ein gutaussehender Endvierziger. Karl Ritter, der –obwohl psychisch labil- von Wagner als Freund hochgeschätzt wurde, war kein Volltrottel, der sich öffentlich von ihm als Pavian beschimpfen lassen musste und die Szene in der Wagner Meyerbeer im Foyer der Pariser Oper persönlich beleidigt (Meyerbeer wurde in dem berüchtigten antisemitischen Pamphlet nicht einmal namentlich genannt!) ist genauso frei erfunden wie der am Esstisch geäußerte Vorschlag an Otto Wesendonck, man möge sich seine Frau „teilen“. Natürlich wird die Beziehung zu Mathilde wirkungsvoll als vollkommen sexualisiert dargestellt, obwohl es keineswegs erwiesen ist, wie nah sich die beiden wirklich kamen. Dass das komplizierte Verhältnis zu Liszt und zu Nietzsche völlig an der Oberfläche bleibt, verwundert da genauso wenig wie die Karikierung von Wagners Entourage als Haufen spießiger und inkompetenter Hanswurste und Ignoranten.
Visuell gelingen einige starke Szenen, obwohl das Muster „der Meister tiefsinnend in schöner Landschaft“ überstrapaziert wird und die Grenzen zum Kitsch oft genug überschritten werden. Dass sich Palmer dabei der Musik Wagners in völlig unchronologischer Folge bedient, ist mir besonders aufgestoßen. Was sollen Tristan- oder Parsifalklänge zur Untermalung von Ereignissen der 1840ger oder frühen 1850ger- Jahre? Hier verkommen „schöne Stellen“ zu sentimentalen Hintergrundklängen. Das hat Wagner, obwohl seine Ästhetik Techniken der späteren Filmmusik vorwegnahm, nicht verdient.
Die Bildqualität der DVD ist akzeptabel, aber mit ihren vielen Unschärfen und einem ziemlich ins bräunliche tendierenden Grundton keinesfalls brillant. Doch ein Remastering auf Bluray würde die zahllosen Unzulänglichkeiten, Oberflächlichkeiten und Geschichtsverzerrungen dieses ambitionierten, aber letztlich grandios gescheiterten Machwerks nicht mildern.
Wer über Wagners Leben wirklich fundiert informiert sein möchte, lese Martin Gregor-Dellins (übrigens ungefähr zur selben Zeit entstandene) zeitlos gültige große Biographie.