Strauss als opulenter Klangkünstler
In der auch rein orchestral üppigen Richard Strauss-Diskografie tummeln sich ja viele Dirigenten-Interpreten aller Zeiten, mit mehr und weniger 'Schall und Rauch', die, nach Zubin Mehta, alle auchmal Straussens Orchester-highlight 'Heldenleben' dirigiert haben wollen, allen Orchestermusikern weltweit sei Dank.
Wie auch immer, es gibt in der Fülle der Einspielungen, Aufnahmen und Mitschnitten, nur wenige gültige Interpretationen, m.E. neben Fritz Reiner, Klemperer und Karajan, erstrangig Rudolf Kempe mit der Dresdner Staatskapelle und (s)einem transparenten, dem durchweg Strauss-affinen, schlank-entschlacktem Klang.
Kaum zu glauben, dass alle diese Aufnahmen nun schon rund 50Jahre alt sind und doch so authentisch-modern klingen, wenn auch nicht aktuell so dynamisch opulent.
Andris Nelsons spielt da mit den zwei Traditions-Orchestern aus Boston und Leipzig zugleich in leitender Personalunion in einer andren, versierten DGG-Universal-Liga.
Er agiert weniger strukturell orientiert und mit entsprechend weiten Zeitmassen klanglich-klangschön und up-to-date klangtechnisch optimiert.
Ich würde beiden Orchestern, die Bostoner eher in leicht gedeckter Raumtiefe, die Leipziger mehr in frontaler Präsenz abgebildet, keine differente musikalische Qualität zuschreiben wollen (auf idagio-com gestreamt abgehört) - allerdings, Nelsons präferiert einen etwas weitschweifigen Klangfluss, durchweg sehr detailverliebt im orchestral höchstwertigen Spielraum, in dem sich die strauss-penible, durchaus formal-rhythmische Konsistenz, hier im opulenten Klangrausch verliert.
Somit offerieren beide Spitzenorchester Nelsons primär spät-und post-romantische Sicht einer klangorientierten Strauss-Rezeption, die auf sanguinische Überwältigung, denn auf einsichtige klangliche Transparenz zielt, wobei sich womöglich Strauss selbst eher verwundert gefühlt hätte.
Allerdings erklingt hier alles auf höchstem orchestralen und ebenso klangtechnischem level, was philologisch-musikalische Einwände als subversive verblassen lassen.
Also, at least, ein orchestral-klanglich opulentes Strauss-Album-"project" eines musikalisch eher spätzeitlich orientierten Dirigenten, der irgendwie allerorts zuhause ist.