Volodos' erspielt seine Brahms-Gipfel
Arcadi Volodos, der ernsthafte pianistische Studien erst spät, 1987 am Petersburger, dann Moskauer Konservatorium, begann und sie später in Paris bei Jacques Rouvier und in Madrid bei Dmitry Bashkirov vervollkommnete, verweigerte sich anfangs aller hochpreisig-zirzensischen Wettbewerbs-Pianistik, welche damals und auch heute wieder, seiner Kunst-Philosophie widersprach.
So wurde er quasi 'by the way', privat, von einem begeisterten Sony-Management entdeckt und sogleich mit einem exklusiven Vertrag langfristig gebunden. Was sich wohl auch ausgezahlt hat.
Nach hochgepriesenen Transcriptions-CDs, sensationellem Carnegie-Debut und entsprechenden weltweiten Tchaikovsky und Rachmaninov-Konzertauftritten und Sony-Mitschnitten in den 1990-2000er Jahren verabschiedete sich Volodos ganz von der internationalen Bühne des Rampen-Virtuosentums, um in Spanien und privater Klausur offiziell zu verstummen.
Aus diesem Refugium seiner Zurückgezogenheit offerierten er und Sony dann 2007 sein auch in Berlin produziertes und bemerkenswertes Liszt-Album, das den introvertiert horchenden und höchst delikat differenzierenden, auch pianissimo singenden Musiker zeigt, der jedoch, wenn's musikalisch Sinn macht, durchaus noch heftig zulangen kann: eine exzellent beherrschte Liszt-Kompilation für Klavier-Liebhaber und Liszt-Kenner.
Nach wieder langer Pause folgte dann erst 2013, wohl als Reflex auf sein spanisches Domizil, sein außergewöhnliches 'Berliner' Mompou-Album, das die introspektiv-kontemplative Gangart seines Klavierspiels überzeugend weiter bestätigt. Mit Mompou hatte bei Volodos nach seinem komplexen Liszt wohl kaum einer ehrlich gerechnet, und es gibt, wenn überhaupt, nur wenige pianistisch so fein und subtil formulierte vergleichbare Einspielungen dieser meist eher folkloristischen Musik.
Nunmehr, nach vier Jahren, liegt ein ebenso wenig erwartetes Brahms-Album vor, wieder in Berlin produziert, mit den div. Klavierstücken, Capprici, Intermezzi, Romanzen, aus opp. 76 und den späten opp. 117-118.
Man muss immerhin rund 50 Jahre und weiter zurückblicken, für einen Vergleich gleichartiger oder auch nur gleichrangiger Spielkunst. Zuerst ist da der in der brahmschen Gesamtschau pianistisch wohl einzigartig profunde Julius Katchen und, zehn Jahre später aus der Kingsway-Hall, der ruhig schreitende und eher beschaulich-kontemplativ agierende Radu Lupu, der sich auch an den Stellen thematischer Micro-Variationen der Brahmsstückchen keine pianistisch markierten Aufgeregtheiten erlaubt. Dort ist Volodos unterscheidbar agiler und flinker als impulsiver Tastenzauberer, was sich Lupo wie auch Katchen eher brahmsisch streng und schlicht versagen.
Letztlich bleibt es auch eine Geschmackssache, was von der mehr brillanten Sound-Technik Sonys und dem speziell austarierten Steinway-Flügel effektvoll beeinflusst wird, doch der Hörer wird musikalisch überzeugt,
keinesfalls klanglich überwältigt.
Alles klingt meisterhaft, besonders die Capricci aus opp. 76, auch wenn mir persönlich die mehr besonnen-unvirtuose Gangart Lupus für den späten Brahms mehr behagt.
Und auch die so unterscheidbar speziellen und eigenständig stark formulierten Darstellungen vom gelassen-lässigen Gould und weisen Kempff, der leichterhand so viel Licht in den vergrübelten Brahms zaubert, sind hörenswert inspirierte Bereicherungen eines verklärten,
doch eher schwermütig-ollen Brahms-Bildes.