Kammermusik zum Versinken
Werke aus dem Baltikum sind mittlerweile nicht mehr aus der zeitgenössischen Musik wegzudenken. Wer möchte schon auf die wunderbaren Kompositionen des Letten Peteris Vasks oder der Esten Arvo Pärt und Lepo Sumera (um nur ein paar zu nennen) verzichten. Mit der Litauerin Onute Narbutaite begegnet dem interessierten Hörer allerdings eine ganz neue Klangwelt. Ihre Stimme ist anders, ungemein interessant und schwer zu fassen. Ihre Klangwelt ist fragil und schattenreich, vieles liegt im dichten Nebel.
Die auf dieser CD präsentierten Werke stellen eine besonders schöne Auswahl dar.
Mein persönlicher Favorit ist das Streichquartett "Open the gate of oblivion", das der Einspielung ihren Namen gab. Das Stück beginnt mit einem ausgedehnten lansamen Abschnitt, in dem jeder Ton bedeutungsschwer vernehmbar ist. Im zeiten Abschnitt wird das Tempo gesteigert. Wie durch einen Sog wird der Hörer durch das Tor des Vergessens hineinkatapultiert in Narbutaites Nebelwelt. Es ist Musik für die Seele, die in ihrer fragilen Art die Fähigkeit besitz zu beruhigen. Ein Stück mit dem ich die Abenddämmerung am Ende eines Tages voll Höhen und Tiefen assoziere.
Das zweite Stück der CD, wieder ein Streichquartett, ist wesentlich schärfer und kantiger angelegt. Eine neue Landschaft jenseits des Vergessens entsteht. Die Klangwelt erscheint verkrustet unter dickem, litauischen Eisregen.
Opus lugubre ist nicht minder abwechslungsreich gestaltet. Die Färbungen der Musik sind noch weniger greifbar. Das Stück endet mit einem großen Fragezeichen. Die Traurigkeit bleibt. Es wird von der Komponistin kein Versuch unternommen, etwas zu beschönigen. Sicherlich ist diese Musik auch ein Spiegel der Entstehungszeit und des Entstehungsortes. Das Jahr 1991 war schließlich der Schlusspunkt der langen Unterdrückung der litauischen Kultur durch das Sowjetregime.
Im letzten Stück fügt die Komponistin bedeutungsschwer dem Streichorchester - wie schon dem Titel zu entnehmen ist - Triangeln hinzu. Diese werden sparsam eingesetzt, so dass jeder Schlag ein besonderes Ereignis wird.
Insgesamt bleibt noch zu sagen, dass diese phantastischen Stücke in einer hervorragenden Interpretation der litauischen bzw. finnischen Musiker vorgelegt werden. Authentischer als in dieser Aufnahme mit Künstlern, die in engem Kontakt mit der Komponistin stehen, wird man die Werke kaum hören können.