Positive Überraschung, aber dann doch etwas gemischte Gefühle...
Zugegeben ist es etwasw widersprüchlich, ein Produkt insgesamt mit fünf Sternen zu bewerten, dann allerdings doch Kritik üben zu müssen. Nun, das lässt sich in diesem Fall erklären. Zum Einen ist Carsten Bohn ein hervorragender Musiker und Arrangeur, vorausgesetzt, man mag seinen Musikstil aus Rock, Fusion, Jazz und zum Teil im Experimentellen. Ich würde auch soweit gehen, ihn in die Richtung Frank Zappa zu verorten, was seine musikalische Leistung betrifft. Zum Anderen allerdings hätte ich, als erfahren im Bereich Tontechnik, einige der Tracks so nicht auf CD gepresst, aber alles der Reihe nach.
Eine Anfrage beim Label Europa um die Jahrtausendwende, wer denn eigentlich die Hörspielmusik von damals komponierte, ließ mich zu Carsten Bohn kommen. Da es die Brandnew Oldies damals nicht gab, kaufte ich mir die Studioalben der 70er auf Vinyl und erkannte doch stilistische Ähnlichkeiten. Wie ein Schneekönig freute ich mich dann, dass etwa zeitgleich zu meinen Recherchen die erste Brandnew Oldies veröffentlicht wurde. Es gab dazu auch Live-Auftritte, die ich jedoch aus Zeitgründen leider nicht besuchen konnte. Das Album lief damals bei mir rauf und runter, auch als Klingelton und irgendwie fühlte man sich plötzlich zurückversetzt mit seinem eigenen Soundtrack. Es folgten die Live-DVD, Vol. II und schlussendlich Vol. III. Damit schien das ganze abgeschlossen.
Aufgrund eines anderen Anliegens meldete ich mich bei Carsten Bohn letztes Jahr und fragte mal so nebenbei an, was denn die so genannten 83er Titel machen würden. "Die Funk-Füchse" als Beispiel, die widerum in Teilen den Grundstein für meine Amateurfunklizenz legten, waren die Querverbindung und ich wünschte mir ins Geheim schon lange, diese Stücke einmal komplett zu hören. Das wurde dann urplötzlich mit den Brandnew Oldies Vol. IV Realität. Lieber Carsten, dafür einen ganz persönlichen Dank an dieser Stelle, denn so ist das Werk nahezu komplett.
Für Neulinge kurz zusammengefasst: Wer die Hörspiele ab Ende der 70er Jahre von Europa kennt und bis etwa Mitte der 80er verfolgt hat, wird in Fragmenten eine Menge Musik hören, diese stammt von Carsten Bohn bzw. wurde unter dem Pseudonym Bert Brac genannt. Er selbst war schon in den 70ern musikalisch vorher aktiv und begründete damals auch die Band Frumpy mit. Aufgrund eines Rechtsstreits mit Miller International wurde auf diese Musikstücke urplötzlich verzichtet. Davon betroffen war beispielsweise "Die Drei ???" Folge 29, die in aktueller Version nicht mehr mit dem Soundtrack von Carsten Bohn bestückt ist. Wen die genauen Hintergründe interessieren, möge sich im Netz informieren, das Ende der Geschichte sind die Brandnew Oldies Vol. IV. Übrigens: Dennis Bohn, auch bekannt als Brooklyn Bounce, ist sein Sprössling.
Die CD ergänzt natürlich ohne Frage die Brandnew Oldies und wer die ersten drei Volumes nicht hat, sollte sie sich dringend zulegen. Nur dann macht das Ganze insgesamt auch Sinn und es ist eine musikalische Entdeckungsreise, weil man stets im Kopf die Parts mit Hörspielszenen verbindet. Zumindest dann, wenn man so exzessiv im Thema ist. Einzeln betrachtet muss ich allerdings anmerken, dass die Qualität dieser Ausgabe im Vergleich zu den ersten beiden Volumes leider etwas abfällt. Die offenbar originale und für die 83er Titel unerlässliche Roland CR-78 bringt ein in Teilen deutlich hörbares Rauschen mit, das hätte man beim Recording beachten sollen. Generell ist die Qualität auch nicht durchweg gut oder schlecht, sondern schwankt doch etwas. Bei manchen Stücken ist das Timing nicht so exakt, wie bei den ersten Volumes, andere wiederum sind klar durchproduziert. Natürlich muss man auch immer berücksichtigen, dass die 83er Titel ohnehin sehr elektroniklastig sind, was sich entsprechend beim neuen Arrangement wiederspiegelt. Immerhin wurden die Titel nachträglich zum Großteil schön interpretiert, wobei man das Soundsetting vielleicht noch etwas ausfeilen hätte können. Persönliche Anmerkung: Ein Rhodes/E-Piano mit Bending geht für mich gar nicht... ;) Ein Punkt, der mir aber auch schon bei Vol. III in Teilen auffiel, aber hier irgendwie mehr zum Tragen kommt.
Ich möchte an dieser Stelle auch ausdrücklich betonen, dass ich Vol. IV ausschließlich an der hervorragenden, Leistung der ersten Volumes messe. Ich kann zugleich aber auch absolut verstehen, dass das Budget im Verhältnis zum Absatz eine ganz wichtige Rolle spielt und ich entsprechend voraussetze, dass der Zeitfaktor oder andere Gründe Kompromisse verursachten, die ich bei dem Preis des Gesamtwerks und der übermäßig guten Qualität absolut tolerieren kann. Wer die ersten drei Volumes nicht kennt, mag auch einen anderen Blick auf das Ganze haben. Gemessen allerdings an der gesamten Discographie komme ich nicht umhin zu bemerken, dass Carsten Bohn es besser kann, als auf dieser CD.
Insgesamt spreche ich also dennoch eine klare Kaufempfehlung aus, denn man wird keine andere Möglichkeit finden, die hervorragenden Begleit-Tracks von damals eigenständig zu hören. Dass das überhaupt möglich wurde, begeistert mich nach wie vor und so nehme ich auch dieses Album dankbar an.