Tolle Lieder in grauenhafter Tonqualität
Ich bin fassungslos, enttäuscht, wütend. So viele Jahre habe ich auf eine gescheite CD-Kompilation, die dem Werk Karel Gotts wenigstens annähernd gerecht wird, gewartet. Und dann erscheint diese CD, die am treffendsten wohl so zu beschreiben ist: Außen hui, innen pfui.
Endlich eine CD von der "Goldenen Stimme aus Prag", die sich von all den anderen bisher erschienenen, im Prinzip immer mit denselben Liedern ausgestatteten CDs unterscheidet, dachte ich. Gerade von Karel Gott gibt es so viele wunderschöne deutschsprachige Alben und Singles, besonders aus den 60er, 70er und 80er Jahren, deren Lieder nie auf CD veröffentlicht wurden. Große Komponisten und Produzenten waren da am Werk und haben mit Karel gemeinsam und für ihn ihr Bestes gegeben: Ralph Siegel, Christian Bruhn, Ladislav Staidl, Karel Svoboda und andere dieses Kalibers. Und während Karels tschechische Plattenfirma bereits zweimal sein komplettes tschechisches Repertoire auf qualitativ hochwertige Weise und mit viel Liebe und Sachkenntnis veröffentlicht hat, mußten sich die deutschen Fans mit den immer selben Titeln auf den vielen Billig-Best ofs zufriedengeben. Gepennt haben sie über viele Jahre, die Leute bei Polydor, später Koch/Universal. Oder hatten sie einfach nur keinen blassen Schimmer von Karel Gotts Oldierepertoire? Ich vermute eher letzteres.
Nun also sollte sich alles doch noch zum Guten wenden, so schien es jedenfalls. Wenn auch nicht alle von Fans heiß erwarteten Karel-Gott-Lieder auf einmal erscheinen würden, so wäre diese Zusammenstellung seltener Lieder doch zumindest ein Anfang und würde auf weitere solcher Veröffentlichungen hoffen lassen. Denn das Konzept ist großartig: Karel Gott präsentiert Lieder, die er im Herzen trägt, genauso wie seine Fans diese Lieder in ihren Herzen tragen. Und die Auswahl ist wirklich gelungen. Schon der wohl größte Fanfavorit "Hinter der Sonne", der der CD auch das Motto gab, läßt scherlich die Herzen all derer höher schlagen, die sich dieses Stück so lange in CD-Qualität gewünscht hatten. Doch wer hier an die astreine Klangqualität glaubt, der irrt.
Den verlockenden Hinweis auf dem Cover "Vinyl-Raritäten erstmals auf CD" hat die Firma Koch/Universal wohl doch etwas anders gemeint - nämlich so, daß in der Tat Vinylumschnitte auf CD gelandet sind. Viele der Lieder haben eine so grauenhafte Klangqualität, daß es einfach eine Frechheit ist, so etwas dem Käufer überhaupt anzubieten. Und das von der größten Plattenfirma der Welt, schließlich steckt hier der Weltkonzern Universal dahinter. Ist es dort also auch schon soweit, daß man sich nicht mehr die Mühe macht, Masterbänder aus dem Archiv zu holen und zu digitalisieren, sondern stattdessen einfach auf Umschnitte von alten, abgedudelten Vinylscheiben setzt, die obendrein ganz offensichtlich noch nicht mal bearbeitet wurden? Für das große Haus Universal mit so renommierten Labels wie Polydor, Mercury oder Philips ist ein Produkt in einer solchen "Qualität" einfach nur eine bodenlose Unverschämtheit.
Rund die Hälfte der hier vertretenen Oldies ist von Vinyl gezogen, was sich besonders "schön" unter Kopfhörern bemerkbar macht. Neben "Hinter der Sonne" betrifft das u. a. auch "Weit liegt die schöne Zeit", "Er war ein zweiter Paganini", "Maruschka", "Wo ist die Zeit", "Sag einmal amore" und "Du wirst es immer sein". All diese Stücke weisen deutliches Knistern und Plattenrumpeln auf, manche haben Schwankungen und Aussetzer. Am deutlichsten hört man das wohl am Anfang von "Sag einmal amore". Ein Jammer!
Daß die zuständigen Koch/Universal-Leute nicht nur mit größter Unlust, sondern offenbar auch mit wenig Sachkenntnis an die Arbeit gegangen sind, zeigt die Tatsache, daß hier Lieder als "erstmals auf CD" angepriesen werden, die es bereits auf CDs gegeben hat, nämlich "Tausend Fenster" und "Myriam".
Einem langgedienten und hochkarätigen Künstler wie Karel Gott und seiner Fangemeinde ein technisch so schlechtes und minderwertiges Produkt unterjubeln zu wollen, gehört meines Erachtens bestraft. Der Verantwortliche von der Plattenfirma und der Mensch im Masteringstudio, der diese klangtechnische Katastrophe verbrochen hat, sollten dafür den blauen Brief von der Chefetage erhalten. Mögen bei der nächsten Karel-Gott-CD Leute am Werk sein, die das Ganze mit Kompetenz und Liebe angehen und sich vor allem der Existenz von Masterbändern entsinnen!