Danke Sony/RCA - wieder mal sehr gelungen!
Diese Besprechung richtet sich wieder eher an den Kenner und setzt Schwerpunkte in der Bewertung des Digitaltransfers und dem Vergleich mit früheren Ausgaben von Pierre Monteux Aufnahmen.
Für alle anderen dies als Einleitung:
Pierre Monteux war neben Toscanini, Reiner und seinem Landsmann Charles Munch einer der ganz großen Dirigenten bei der RCA. Alle (!) Aufnahmen von ihm sind höchst hörenswert, manche davon einfach grandios! Immer lebendig, musikalisch in Rhythmus und Melos, stimmig in den Proportionen und der Orchesterbalance.
Die meisten sind hervorragend aufgenommen - auch einige der frühen Einspielungen aus den 40zigern (z.B. Franks d-moll Sinfonie von 1941!). Ein Viertel der CDs ist in Stereo (15% bis 20% der gesamten Spielzeit), und gut die Hälfte der restlichen 30 CDs hat einen sehr guten monauralen Klang. 10 bis 15 CDs haben ein wirklich historisches Klangbild (manchmal ein wenig scharf), aber es ist alles akzeptabel und gut zu hören.
EIN INTERPRETATIONSVERGLEICH
Die d-moll Sinfonie von Caesar Franck hat Monteux dreimal (!) bei der RCA eingespielt: 1941, 1950 und 1961. Ich kannte bis dato nur die Chicago-Aufnahme in Stereo von 1961.
Nun ist aber die Aufnahme von 41 mit San Franzisco ein wirklich starkes Gegengewicht – oder eine ganz andere Facette. Beide Einspielungen sind - jeweils für ihre Zeit - phantastisch aufgenommen, beide mit großem Orchesterklang und Raum. Die CSO-Aufnahme ist immer noch klanglich ganz vorne - welche audiophile Aufnahme man auch als Vergleich heranziehen mag...
Monteux hat mit dem CSO eine sehr glühende, weihevolle, ja gewaltige Vision gezeigt. Manchmal klingt das Orchester tatsächlich nach einer Orgel, was Franck, der ein Meister dieses Instruments war, sicherlich erfreut hätte.
Die Aufnahme von 1941 ist nicht ganz so ausgefeilt (schon wegen des Orchesters), aber ungemein farbig (auch dank der ausgezeichneten Aussteuerung des Tonmeisters!) und von einem ungebändigten Feuer und Drang – dabei immer kontrolliert und nie übertrieben. Ebenso wie beim CSO eine atemberaubende Aufführung – aber halt ganz anders!
Die Aufführung von 1050 ist sehr ausgefeilt und wenn es nur diese von Monteux gäbe, wäre ich sehr glücklich. Aber wenn man die anderen beiden einmal gehört hat, dann steht die 1950 wohl an dritter Stelle.
DIE ALTE WEISSE BOX
Vorab für diejenigen, welche die weiße Monteux-Box der BMG (15 CDs) besitzen oder kennen:
Die Anzahl 40 CDs der neuen Box heißt nicht, dass nun nochmals eineinhalb mal so viele andere Einspielungen dazu kämen, denn es handelt sich bei den Aufnahmen ab 1949 (und der Scheherazade von 1942) um Zusammenstellungen der originalen LPs – also mit CD-Spielzeiten von ca. 30 bis 45 Minuten. Die ersten 10 CDs haben allerdings Spielzeiten von 54 bis 79 Minuten, da hier die frühen Aufnahmen zusammengefasst wurden.
NICHT IN DER WEISSEN BOX AUS DEN 90ZIGERN ENTHALTEN
Hier die Einspielungen (ich komme auf 26 Titel), die in der ersten weißen BMG Box (15 CDs) nicht enthalten waren. Drunter befinden sich alle Konzerte und manche Doubletten:
- Bach: aus Weihnachtsoratorium: Nr. 10 Sinfonia (1949)
- Berlioz: Benvenuto Cellini (1945)
- Berlioz: Benvenuto Cellini (1947)
- Berlioz: Sinfonie fantastique (1950)
- Brahms: Violinkonzert (1958)
- Brahms: Altrhapsodie (1945)
- Bruch: Violinkonzert Nr. 1 (1945)
- Chausson: Poeme (1945)
- Debussy: aus Images: Gigues + Rondes de printemps (1942)
- Debussy: aus La mer: 2. Satz in Stereo (1954)
- Delibes: aus Coppelia: Prélude et Mazurka in Stereo (1953)
- Franck: Sinfonie d-moll (1941)
- Franck: Sinfonie d-moll (1950)
- Gluck: Orpheus ed Euridice (Gesamtaufnahme der Oper) (1957)
- Grünberg: Violinkonzert (1945)
- Khatchaturian: Violinkonzert (1958)
- Lalo: Symphonie espagnole (1945)
- Mendelssohn: Ruy Blas Ouverüre (1947)
- Milhaud: Sinfonie Nr. 2 (1945)
- Mozart: Klavierkonzerte Nr. 12 + 18 (1953)
- Rimsky Korsakoff: aus Le Coq d'or: Cortege de noces (ohne Einleitung 1941)
- Rimsky Korsakoff: aus Le Coq d'or: Cortege de noces (mit Einleitung 1945)
- Schumann: Sinfonie Nr. 4 d-moll (1952)
- Scriabin. Poeme de l'extase (1947)
- Strawinsky: Le sacre du printemps (1947)
- Verdi: La Traviata (Gesamtaufnahme der Oper) (1956)
DIE DIGITAL-TRANSFERS
Natürlich habe ich noch nicht alles verglichen, es war eher ein großes Querhören. Alle digitalen Transfers sind meinem Ohr nach denen der ersten weißen Monteux-Box überlegen. Auch manche Japanpressung, die ich hatte, erübrigt sich nun. Manche der sehr frühen Aufnahmen klingen immer noch recht scharf. Es ist möglich, dass das Optimum ausgereizt ist - aber ebenso, dass da noch mehr drin wäre. Auch bei den RCA-Aufnahmen wäre (wie bei EMI, jetzt Warner) eine VÖ im SACD-Format immer sinnvoll, wobei die Verbesserung dadurch bei EMI-Bändern ohrenfälliger zu sein scheint.
Wenn auch diese Chance nicht wahrgenommen wurde - jedenfalls wurde ordentlich remastert: keine groben Methoden, bei den späteren Monoaufnahmen ist ein nicht störendes Band-Hiss zu hören – ein gutes Zeichen :-)
Nun noch etwas im Einzelnen für den Sammler:
NICHT WEGGEBEN !
Falls Sie folgende CDs in diesen ausgaben schon habe – unbedingt behalten, da deutlich anders (und meiner Meinung nach auch besser) als die Transfers in dieser Box:
- Franck: Sinfonie d-moll + Strawisnky: Petruschka – als SACD
- Tschaikowksy: Sinf Nr.4 – als XRCD
- Tschaikowksy Sinfonie Nr.6 – als SACD
- Khatchaturian: Violinkonzert + Saint-Saens – als Japanische RCA READ SEAL (auch wegen der zwei Munch-Aufnahmen mit Oistrach!)
DAS TEXTBUCH
Das Textbuch ist in der Manier wie bei allen letzten Boxen-VÖs gehalten: Nicht viel Text, aber ein paar interessante Einlassungen - also nicht pauschal und lieblos. Das ganze wieder in einer sehr guten Übersetzung von Stefan Lerche.
Besonders möchte ich auch das gute Register nach Komponisten erwähnen, was bei solch einer Fülle an Aufnahmen und Doubletten wirklich hilfreich ist!
Allerdings werde ich das Heft der weißen Box behalten (es passt oben aufgelegt gut in die neue Box!), da dort Erinnerungen von einigen Musikern an Monteux abgedruckt sind.
DIE BOX
Die Box ist sehr stabil und wertig aufgemacht (der Rotton viel edler als auf den Abbildungen), die Papphüllen mit der gelungenen originalen Cover-Art (ab CD Nr.11) sind wieder stabil und die CDs leicht u entnehmen. Das hat Sony jetzt alles gut drauf :-)
Eine rundum empfehlenswerte Veröffentlichung. Man sehnt sich nun nach einem Munch in dieser Gestalt – und ich persönlich immer noch nach den „Vor-Chicago-Aufnahmen“ von Reiner und den RCA/CBS-Aufnahmen mit dem CSO außer Fritz Reiner ca. bis 1970:
Stock!!, Rodzinsky, Defauw, Hendl, Stokowski, Gould, Martinon!!!, Ozawa, Craft, Strawinsky … hab ich was vergessen?). Das gäbe eine schöne dicke Box und ein Fest der Entdeckungen :-)