Warum nur in Deutschland nie gespielt?
Vorneweg möchte ich auch hier erwähnen, dass ich mich zu Stehammars Musik außerordentlich hingezogen fühle, was für Sie als Leser der Rezension hat es den Vorteil, dass ich nun jegliche Einspielung der Sinfonie g-moll nicht nur mal nebenbei gehört habe, sondern im Wesen kenne.
WILHELM STENHAMMAR
ist wie dessen Landsmann Hugo Alfvén (aber auch Atterberg und alle anderen der vielen! Schwedischen Komponisten) im Bewusstsein der breiten, aufgeschlossenen und wirklich interessierten festländischen europäischen Klassik-Hörerschaft nie angekommen. Schade, denn ein paar Werke hätten angesichts ihrer (durchaus eingängigen) Originalität und Vitalität das Zeug zu wahrer Popularität:
- die Sinfonie g-moll,
- die Serenade,
- das Orchester und Chorstück "Midvinter"
- die zwei Klavierkonzerte (besonders das zweite),
- ganz besonders vier der sechs Streichquartette (4-6),
- der Klavierzyklus "Spätsommernächte"
- einige Lieder
um nur mal einen Großteil der Stücke zu nennen (da wären noch die andere Sinfonie, Excelsior!, Bühnenmusiken, Orchesterwerke mit Solo-Sängern, Chorstücke usw.), die dem immer wieder gespielten Standardrepertoire des ausgehenden 19ten und beginnenden 20ten Jahrhunders durchaus die Stirn bieten können. Das mit der "Stirn" meine ich besonders in übertragenem Sinne, da die Musik Stenhammars nicht nur etwas für Herz und Seele, sondern auch für den Geist ist.
SINFONIE G-MOLL
Schön, dass diese für die Rezeption der Musik Stenhammars so wichtige Aufnahme wieder erhältlich ist! Sie stammt von 1978 und klingt nach wie vor sehr gut. Die Farbigkeit ist da (vielleicht ein minimal "weißer" Klang), die Balance ist sehr gut, Band-Rauschen gibts keins.
Die Sinfonie ist in Deutschland völlig unbekannt (obwohl sich Richard Strauss, Felix Weingartner und Hans Richter für Stenhammars Werke einsetzten) - habe sie noch nie auf einem Spielplan gesehen. Dabei ist sie eine bewusste und ebenbürtige Antwort auf die 2te von Sibelius - völlig anders, aber als Wurf nicht geringer! Sibelius vewendet im Finale eine "meditative Schleife" als Erweiterung, Stenhammar das Gebäude einer riesigen Fuge, dem Finale der 5ten von Bruckner nicht unähnlich.
EIN VERGLEICH
aller Einspielungen der g-moll Sinfonie (leider immer noch nicht allzuviele) macht eine Eingrenzung nicht allzu schwer:
Neeme Järvi hat bestimmt die Liebe zu Stenhammars Musik, sonst hätte er ncht so viel davon aufgenommen, aber er "macht" mir da zuviel an Agitato, Tempo und Effekten, was die gehaltvolle strukturierte Musik hie und da verunklart und auch nicht gerade zu sauberem diszipliniertem Orchesterspiel beträgt. Neil Thomson ist ernsthafter, aber die Aufnahme kann den nachfolgend genannten meines Erachtens nicht standhalten:
Petter Sundkvist und das Royal Scottish National Orch. haben für Naxos eine preisgünstige Einspielung gemacht, die ich wieder mal deshalb interessant finde, weil Britische Orchester andere Farben haben als Skandinavische. Leider nicht optimal aufgenommen, aber doch eine Alternative zu:
Tor Mann nahm 1959 als erster mit dem Stockholm Philh. Orch. diese Sinfonie auf - eine immer noch sehr gut klingende Stereo-Aufnahme in Kooperation mit RCA entstanden. Beim Kauf unbedingt auf die Neuüberspielung (zusammen mit der Serenade mit Kubelik) achten, die ältere Ausgabe klang nicht so gut! Bei Mann klingt Stenhammars Hauptwerk ganz und gar unspektakulär in Tempi und Orchesterspiel, aber mit welcher Tiefe und Stärke das Werk erscheint.
Paavo Järvi hat die Aufnahme gemacht, die ich zugegebenermaßen am häufigsten von allen höre. Der Detailreichtum und die Farbigkeit sind immens - wohl der Vorzug der aktuellsten Technik der vergleichenden Einspielungen. Es liegt aber auch an dem sehr liebevollen Dirigat. GRANDIOS ist z.B. die meditative Klarinettenstelle nach dem ersten Fugenabschnitt des Finales gelungen. Wie sehr wünscht mal sich da, die Sinfonie mal endlich hier im Konzert hören zu können! Paavo Järvi schafft es bei all den "Aufmerksamkeiten" sich nicht zu verzetteln, wenn er vielleicht auch nicht ganz den inneren "Zug" von Mann oder Westerberg erreicht.
UND WESTERBERGS INTERPRETATION DER G-MOLL SINFONIE?
Auch wenn ich Westerberg nicht mehr eindeutig DEN Vorzug geben würde, so ist er doch eine der drei Einspielungen meiner ersten Wahl. Die Stärke dieser Aufnahme ist eine Synthese von etwas der Kraft und Stringenz von Tor Mann geppart mit etwas von dem Detailreichtum Paavo Järvis. Jedenfalls eine überzeugend ernsthafte und visionäre Einspielung des vielseitigen Dirigenten, dem diese großartige Sinfonie bestimmt sehr am Herzen lag. Das ist sehr deutlich und überzeugend an dem heiß glühenden Schluss der Sinfonie zu hören.
eine absolue Kaufempfehlung - neben Tor Mann und Paavo Järvi.