Dokument eines der größten musikalischen Genies
Leonard Bernstein war nie ein Musiker, der sich hinter den Noten versteckte oder ein Orchester so, wie er es vorfand, zum Klingen brachte. Vielmehr kitzelte er unabhängig von Traditionen ein Leben aus den Partituren, das den Hörer spontan mitreisst und in bekannten Stücken Leidenschaften jeder Art entdeckt, die ihm zuvor verborgen blieben, vom langsamen Satz in Mozarts Klavierquartett über Repertoirestücke von z.B. Beethoven, Dvorak, Sibelius bis zu Klassikern des 20. Jahrhunderts - bei Mahler ist es ja bekannt. Es fasziniert, nach Jahrzehnten der auf Genauigkeit und Klangbalance fixierten Dirigenten nun wieder "beseelte" Musik hören zu können - auf jeden Fall den Spirit Bernsteins, und vielleicht auch den Geist des Werkes, der möglicherweise vom jeweiligen Komponisten intendiert wurde. Man sieht beim Hören den Maestro vor sich, die Musiker mitreißend, gelegentlich Luftsprünge machend, wie es bei keinen Aufnahmen anderer Dirigenten möglich ist. Mein Vater spottete bei den TV-Konzerten in den Siebzigern immer: "Dass die Musiker vor lauter Lachen überhaupt spielen können!"
Die Aufnahmen wurden gut restauriert. Ihr Alter ist z.T. unüberhörbar, aber meist sehr präsent, transparent und tiefengestaffelt. Das Buch weist auf einige Störgeräusche (Rauschen, Vorechos) bei einigen wenigen Aufnahmen hin, die aber kaum ablenken.
Manche Scheiben sind knapp bestückt - da ist gerade die Original-LP drauf - , manche mit zusätzlichen Werken aufgefüllt. Die Albumcover (Papphüllen, Rückseite nur mit Lupe lesbar) sind immer original und somit auch küntlerische Zeitdokumente. Leider sind im Buch nicht die Gesangstexte abgedruckt, was bei Bernsteins Eigenkompositionen schon ein Manko ist, wohl aber alle Aufnahmedaten.
Fazit: Diese Box ist ein Muss für alle Freunde von Orchestermusik, auch wenn schon einige dieser Aufnahmen vorliegen - das Remastering hat sie in neues akustisches Licht getaucht.