Triumph für Beethoven
Seit dem Jahrhundertwechsel gibt es mindestens 20 neue Einspielungen der sämtliche Sinfonien Ludwig Van Beethovens. Abbado, Barenboim ( zwei mal!), Chailly, Fisher, Haitink, Herreweghe, Krivine, Mackerras, Nagano, Norrington, Rattle, Thielemann, van Immerseel, van Zweden...
In 2013 hat das label BR Klassik Mariss Jansons interpretation der 9 Symphonien mit dem Chor und Symphonieorchester des Bayrischen Rundfunks herausgebracht. Es ist klar das auch im 21. Jahrhundert noch immer viele Zuhörer von Beethovens Symphonien aufgewühlt werden, aber nicht nur Zuhörer, sonst auch Künstler, im besonderen zeitgenössische Komponisten. Die Aufnahmen der sämtlichen Symphonien Beethovens wird deswegen komplettiert von Kompositionen von gegenwärtige Künstler wie Johannes Maria Staud, Misato Mochizuki, Rodion Schedrin, Raminta Serksnyté, Gya Kancheli und Jörg Widmann, die im Auftrag Werke schrieben in der auf Beethovens Musik reflektiert wird. Wenn man sich diese Werke anhört, spürt man das Beethoven nicht nur geistlich sondern auch kompositions-technisch inspiriert.
Aber was diese Gesamtaufnahme der 9 Symphonien aussergewöhnlich macht, ist bestimmt die Interpretation von Jansons und seine Musiker vom Bayrischen Rundfunk.
Was Jansons hier zustande bringt ist eine perfekte Synthese zwischen dem „normalen“ Spielart von modernen Orchester ( Toscanini, Karajan, Haitink,...) und dem historisierenden Aufführungspraxis ( Brüggen, Norrington, Gardiner...). Und das Ergebnis ist fabelhaft! Die Orchesterbesetzung ist jede Symphonie angepasst. Die Phrasierung ist bündiger. Die Bogenführung lasst die modernen Streicher schneidiger erklingen. Holz und Blächbläser bekommen genügend Raum. Egal welche Symphonie man sich anhört, immer wieder fühlt man das es klingt wie es klingen soll. Und das man das nie zuvor so gehört hat.
Der Beethoven von Mariss Jansons ist ein menschlicher Beethoven: seine Musik klingt nicht spektakulär oder übermenschlich, aber man hört einen Menschen mit erkennbare Gefühle, Schmerze und Sehnsüchte und das ist genau was diese Interpretation so faszinierend macht. In dieser Hinsicht ist die Vierte Symphonie bei Jansons tatsächlich eine Schlüsselsymphonie. Beethoven hat dieses Werk schnell komponieren müssen weil er Geld brauchte und eigentlich mit der Fünfte und Sechste Symphonie tätig war. Das ist der Grund warum diese Symphonie so wichtig ist: sie zeigt uns den Komponisten wie er eigentlich war, nämlich der Mann der auf das Titelblatt der Partitur der Missa Solemnis schrieb: „Von Herzen. Möge es wieder zu Herzen gehen.“ In diesem Geist interprtiert Jansons die Beethoven-Symphonien.
Das Symphonieorchester des Bayrischen Runfunks spielt mit Herz und Seele: der orchesterklang ist wunderschön und es wird diszipliniert und inspiriert musiziert. Die Streicher haben einen wunderbar seidig-weichen Ton. Die Holzbläser sind erstaunlich auf einander abgetönt und die Blechbläser klingen voll und strahlend. Die Phrasierung wird niemals aggressiv weil die sehr präzise dynamische Differenzierungen dafür sorgen das Staccato und Legato nahtlos in einander übergehen.
Jede Symphonie bekommt von Jansons die Zuwendung die sie verdient und das hört man nicht nur wegen die Grösse der Besetzung sondern auch wegen die Weise worauf musiziert wird. Andererseits werden alle Symphonien von einer Gesamtkonzeption mit einander verbunden. Und diese Konzeption stellt der Mensch mit seine Schwächen und Stärken, mit seine Gefühle und Gedanken, mit sein Schmerz und mit sein Glück zentral.
Jansons’ Pastorale ist die schönste die ich je gehört habe: der Orchesterklang gibt dem Zuhörer ein himmlisches Gefühl, die Holzbläser und die Hörner machen einen schmelzen und die breite und subtile Palette an Klangfarben war bisher ungehört!
Jansons’ Interpretation der Neunte ist etwas dramatischer als gewöhnlich. Es ist klar das er Beethovens hoffnungsvoller Botschaft – „Alle Menschen werden Brüder“- in unsere Zeit nicht als selbstverständig erfährt. Aber vielleicht gleicht unsere Zeit in dieser Hinssicht stark die Zeit in der Beethoven lebte, eine Zeit die geprägt wurde vom Untergang des „Ancien Régime“, eine Übergangszeit also. Der Chor des Bayrischen Rundfunks und die Solisten – Christiane Karg, Sopran, Mohiko Fujimura, Alt, Michael Schade, Tenor und Michael Volle, Bariton - singen ausdrucksvoll und machen es ganz klar das „werden“ in „Alle Menschen werden Brüder“ nicht nur ein Futurum, sondern auch ein Imperativ ist!
Die Aufnahmen sind Live in der Suntory Hall Tokio, Herkulessaal oder Philharmonie am Gasteig in München registriert und es muss gesagt werden das Tonmeister Wilhelm Meister und sein Team hier über eine Spitzenleistung sprechen dürfen: man sitzt wirklich im Konzertsaal.
Toscanini und Karajan haben im 20. Jahrhundert die Beethoven-Interpretation mit „benchmarkrecordings“ markiert. Mit dieser neuen Gesamtaufnahme der 9 Symphonien von Ludwig van Beethoven haben Mariss Jansons und das Symphonieorchester des Bayrischen Rundfunks die hochkarätige Referenz des 21. Jahrhunderts realisiert!