Die tiefen Spuren einer traurigen Kindheit
Kaum zu glauben, dass „Die Farben des Verzeihens der Debütroman von Alexandra Mazar ist. Aus meiner Sicht ist ihr mit ihrem Erstling ein rundum gelungenes, sehr tiefgründiges, stellenweise melancholisches Werk geglückt, bei dem man ein großes Schreibtalent bemerkt.
Das Buch beginnt gleich mit einem tiefen Schicksalsschlag: Conny, der jüngere Bruder der Protagonistin Eliza, hat Selbstmord begangen und soll beigesetzt werden. Der Weg dorthin fällt Eliza schwer. Sie hat ihren Bruder und ihre Großmutter zehn Jahre lang nicht gesehen und die Beziehung zu ihrer Großmutter ist offensichtlich sehr schwierig und nicht von großer Zuneigung geprägt.
Nach und nach gewährt die Ich-Erzählerin Eliza Einblicke in ihr Leben – in Vergangenheit und Gegenwart - und Stück für Stück versteht man Elizas verschlossene Art, ihre Abneigung gegenüber der Großmutter und ihr ambivalentes Verhältnis zur Liebe.
Das Geschwisterpaar Eliza und Conny wächst bei der strengen, russisch stämmigen Großmutter auf, die Nana genannt wird. Über ihre Eltern wissen die beiden nichts; auch nicht, warum sie bei der Großmutter aufwachsen, denn Nana macht ein großes Geheimnis daraus. Sie verbietet den Geschwistern sogar, Fragen zu den Eltern und ihrem Verbleib zu stellen. Eliza weiß lediglich, dass ihre Mutter die Tochter von Nana ist und erinnert sich schemenhaft an den Abschied und eine spätere Begegnung mit ihrer Mutter.
Als Conny Selbstmord begeht, hinterlässt er seiner Schwester einen Abschiedsbrief. In diesem Brief bittet er sie, weitere Nachforschungen anzustellen, um das Familiengeheimnis zu lüften. Doch Eliza mag die Geister der Vergangenheit nicht herauf beschwören, mag den alten Schmerz nicht an sich heranlassen.
Schließlich nimmt sie, um Trauer und Schuldgefühlen zu entfliehen, einen Auftrag an, der sie nach Granada führt. Dort trifft sie den russischen Autor Sergei, dessen Buch sie übersetzen soll. Diese Begegnung stellt ihr Leben auf den Kopf. Als dann auch noch Tante Anna aus Deutschland anruft, um sie nach Hause zu bitten, da es einen weiteren Schicksalsschlag gibt, ist Elizas Gefühlswelt völlig aus den Fugen geraten.
Alexandra Mazars tiefgründiger Erzählstil berührte mich sehr. Die Protagonistin Eliza geht durch ein wahres Bad der Gefühle. Die junge Frau hat durch die harten Prüfungen ihrer Kindheit ihr Urvertrauen verloren und einen dicken Panzer um sich errichtet. Sie versucht möglichst nüchtern und geradlinig durch ihr neues Leben zu gehen. Doch unter dem Panzer schlummert eine zarte Seele, die in jungen Jahren schwer verletzt wurde. Es ist nicht leicht für Eliza die Gefühle, die auf sie einströmen, zu deuten und zu verarbeiten. Zu diesen Gefühlsbädern passt auch der Schreibstil der Autorin, der den Leser mit sprachlich stimmiger Düsternis aber in flüssiger Erzählweise förmlich durch das Buch fliegen lässt, ohne leicht zu sein. Die Beschreibungen der spanischen Landschaft, insbesondere Granadas, vermitteln das andalusische Flair stimmungsvoll. Hier konnte Alexandra Mazar, die zwei Jahre in Andalusien lebte, ihre Ortskenntnisse gut unter Beweis stellen. Ebenso gekonnt spielt die Autorin mit den Rückblenden, die sich spielerisch in den Kontext einbetten.
Fazit:
Ein mehr als gelungener Debütroman von Alexandra Mazar!!! Unglaublich tiefgründige, teilweise düster-melancholische Story, die mit ihrer außergewöhnlichen Protagonistin kein Mainstream ist. Von mir eine absolute Leseempfehlung! Ich freue mich schon auf weitere Bücher von Alexandra Mazar!