Erwin Schrott als charismatischer Don Giovanni
Ich halte diese Aufnahme allein wegen der Besetzung der Titelrolle für sehenswert. Erwin Schrott bringt nicht nur von selbst das Äußere für einen Don Juan mit, er spielt dazu hervorragend. Sein Don bleibt etwas mysteriös und das kostet er aus. Dazu interpretiert er die Rolle (wie ich es verstanden habe) als zwanghaft nach Bestätigung bei Frauen suchend, auch lässt der (hier kaltblütige) Mord den Don selbst nicht mehr los. Diese Komponenten lassen ihn aber noch gefährlicher wirken. Dazu kommt die auch musikalisch sehr gelungene Interpretation, wobei er die Rolle mit seiner dunklen Stimme ausfüllt, die gefährlich, aber niemals scharf klingt.
Die restliche Besetzung kommt nicht immer an die Titelrolle heran. Da sticht natürlich zunächst Anna Netrebko als Donna Anna ins Auge. Sie spielt und singt eine elegante und beherrschte Anna, ein wunderbares Erlebnis. Als nächstes wäre Luca Pisaroni zunennen, dessen humorvoller Leporello aus darstellerischer Sicht ebenso begeistert wie aus sängerischer. Interessant ist besonders, wie er den Zwiespalt seiner Rolle in der Beziehung zu Don Giovanni darstellt.
Zwiespältig bleibt allerdings auch mein Eindruck von Malena Ernman als Donna Elvira. Nicht immer stimmschön und in den Höhen auch schon mal einen Ticken daneben, schafft sie es doch, ungeheuer ausdrucksvoll und mit Wucht zu singen. Das passt zu ihrer wilden Elvira und ihr „Ah, fuggi il traditor!“ hat mich sehr beeindruckt. Leider sind ihre verwendeten Gesangstechniken, etwa das Aktivieren der Maske durch aufreißen der Augen, dergestallt, dass sie sie beim Schauspiel, insbesondere mit heranzoomender Kamera, stark beeinträchtigen. Das stört einerseits, ist aber andererseits bei ihrer in Verzweiflung und Wildheit schon an den Wahnsinn grenzenden Interpretation auch wieder erträglich.
Ansonsten ist Mario Luperi (Komtur) gut, Charles Castronovo (Don Ottavio) geht in Ordnung, bleibt aber etwas blass. Katija Dragojevic (Zerlina) fand ich enttäuschend und glanzlos, insbesondere in der „Batti Batti“-Arie. Jonathan Lemalu (Masetto) wiederrum ist ordentlich.
Die Inszenierung von Philipp Himmelmann ist nicht traditionell. Ich habe sein Konzept nicht vollständig durchschaut, wo ich es verstanden habe, fand ich es aber durchaus schlüssig. Hier und da kann man den Kopf schütteln – warum kommen die drei Maskierten ohne Maske? Und heißt das nun, dass Don Giovanni sie erkennt, oder ist er halb blind? Dafür ist die darauffolgende Szene, als Ottavio, Anna und Elivra Giovanni bedrohen eine der stärksten überhaupt und kann als Beispiel für die gelungene Personenführung dienen. Im übrigen muss man der Inszenierung zu Gute halten, dass sie trotz minimierter Optik eine ungeheure Atmosphäre aufbaut – etwas, was ich bei vielen „modernen“ Inszenierungen, zumal auf DVD, vermisse.
Zum Schluss noch kurz zu Hengelbrocks Dirigat: Es wirkt etwas launisch, an manchen Stellen langsam tragend, an manchen Stellen geradezu rasend. Gerade letzteres wirkte auf mich doch teilweise übertrieben und vereinzelt gerieten ihm auch Sänger und Orchester auseinander. Insgesamt ist es jedoch solide und hörenswert.
Und ein Fazit? Nun, ich würde die Aufnahme wegen der drei großartigen Sänger in Hauptrollen und der interessanten Inszenierung durchaus für anschaffenswert halten, auch auf dem breiten Markt bei dieser Oper. Allerdings sollte man einerseits bereits Kenntnisse der Oper mitbringen und andererseits interessiert an Neuem sein.