BÄMBÖRG IS WONDERFUL ---
also sprach, an seiner Cola nippend, Jonny, ein GI, der dort einmal stationiert war, nachzulesen in Heft sieben des vierzigsten Jahrgangs MERIAN S.53, 1987. Folgt der obligatorische Artikel über das dortige Orchester, damals, unter Horst Stein, neu aufbrechend in die (spät-)romantische Musik, für die und von der es schon einmal seinen dunkel timbrierten, skulpturalen, atmenden Klang gebildet hatte. Wie alles Lebendige bedurfte er der Erfrischung, und sie kommt nur aus der Versenkung in das einzelne Kunstwerk, aus der Inspiration durch den einzelnen Musiker, Dirigenten. Mit ihnen verändert sich dieser Klang, dennoch bewahrt das Ensemble seine musikalische Physiognomie. Die Jubiläums-Sammlung hier gibt sie wieder, aber an welchem Repertoire ?? Es scheint, als hätte man den englischen Titel wörtlich genommen und geglaubt, überwiegend nur Symphonien aufnehmen zu sollen. Das Paradestück der Bamberger aber, die Neunte von Dvorak, fehlt. Es gibt nur ein Konzert (KV 491), keine neueren Stücke als die von Pfitzner, Richard Strauss, Strawinski. Repräsentativ ist dies nicht. Ich kann hier nicht jede CD einzeln besprechen, daher nur Notizen zu den Extremen : Ausfälle und Höhepunkte. Zuerst die Ausfälle : Mendelssohns "Sommernachtstraum"-Ouvertüre unter Rowicki (CD 5, 1989) ist flau, hat zu weiche Einsätze in den Tutti, irgendwie glatt und ohne Glanz, der Rüpeltanz viel zu zahm. Welch ein Unterschied zu der fast gleichzeitigen Aufnahme desselben Werkes unter Claus-Peter Flor (Sony-BMG) ! Dort ist alles hochdifferenziert, farbig, spannend. Weiter : Beethovens Pastorale unter Kurt Sanderling (CD 8, 1998) ist zu langsam, gelegentlich direkt buchstabierend (die Bläser); im Gewitter wird dann kräftig und kompakt Lärm gemacht. Ich habe nichts gegen Verlangsamung; die Metronomisierung Beethovens (die Halbe=66) drängt aber dem ersten Satz eine Eile auf, die ich störend finde; das ist nicht ma non troppo - dafür hat der Pedant Gielen den Beweis erbracht. Aber hier ist es zu dröge. Eugen Jochums Jupitersymphonie (CD 9) wirkt müde und abgespielt. Ganz dämmrig und mit verwaschenem Streicherklang die "Metamorphosen" unter Sinopoli (CD 10) --: das Stück hat Struktur ! Der Querschnitt aus der "Verkauften Braut" (CD 6) ist hier ein Ausfall, -- weil man vor allem ihn weglassen könnte. Denn die Einspielung ist eine absolute Referenz, unverzichtbar und immer greifbar, daher hier überflüssig, vor allem, wenn man sie kürzt...Nun die Höhepunkte : Beethovens Erste unter Keilberth (CD 2) : fein, aber dicht, zügig und mit Witz dargeboten; der für den Dirigenten sonst typische breite Pinsel blieb hier einmal beiseite. Solche Beethoven-Aufführungen möchte ich öfter hören. Dvoraks Slawische Tänze in Auswahl (Dorati, CD 8) übertragen ihre Spielfreude und Lust an der Genauigkeit auch im etwas harten Analogklang. Strauss` Alpensymphonie und Bruckners Vierte unter Horst Stein (CD 10 und 12) sind Modelle von Klarheit, überlegener Disposition und Klangfarbenreichtum : eine Pracht. Schließlich Mahlers Erste unter Nott (CD 15) : zwar etwas sehr bekenntnishaft (lies überakzentuiert), aber mit großer Ruhe und langem Atem, genau und brillant dargeboten. Alles überragend aber die Aufnahmen zweier Gäste : Ferdinand Leitner und Fritz Lehmann. Leitners Esprit de finesse machte ihn zum idealen Begleiter; so elegant und stilsicher führte er seine Musiker wie kaum einer - außer eben Fritz Lehmann. In den fünfziger Jahren wichtiger Dirigent der DGG, die ihn heute fast vergessen zu haben scheint, war er ein Mann mit Riesenrepertoire, in allen Sätteln gerecht, analytisch wie poetisch überlegen, hier mit Dvoraks Achter, Schumann, Mozart, Tschaikovski präsent - ein Genuß. Übrigens jährt sich sein früher Tod heuer zum sechzigsten Male, also ein trauriges Gedenken.--- Zu dem mageren Booklet sei noch bemerkt, daß bei KV 491 die Angabe der Kadenzen fehlt; sie sind vom Solisten, Wilhelm Kempff. Bei allem Lob: die Kassette scheint mir fast für japanische Weltkulturerbe-Touristen gemacht.
Und damit zu meiner GRATIS-BUCHKRITIK. Unter dem Titel "Bamberg Symphony" ist bei HatjeCantz ein Bildband zum Jubiläum erschienen, der den genannten Touristen sicher auch gefällt. Geschmäcklerisch-unscharfe Fotografien (Andreas Herzau), die kaum einmal ein Apercu aus dem Orchesterleben geben - pensiv-strenge Gesichter, erschöpfte Klangerzeuger, begeistertes Publikum - , ansonsten meist leider nichtssagende Blicke aus Hotelfenstern usw. Es gibt auch Text. Nora Gomringer, die so dreist ist, sich als `Dichterin`einzuführen, zeigt uns, wohin der Literaturbetrieb seine willigen Zuarbeiter bringt : Anbiedernd und verschmockt, jeglicher Bildung entratend, porträtiert sie Orchester und Stadt in einem "Alphabet" gelegentlich dümmlicher, dann wieder zynischer Bemerkungen; ist es ein Zufall, daß das MERIAN-Heft Nr. 2/XXII 1969 bereits ein, allerdings witziges, Alphabet über Bamberg brachte (S.15 ff.)? Gomringer-Originalton : "Mein Verdacht : Sorgfalt erhebt den Menschen zur Relevanz." Also wenn Sorgfalt einem "Verdacht" verfällt....Hier kann man sich nur noch abwenden. Hoffentlich zur Musik ! "Zähigkeit ist den Bamberger Symphonikern zur zweiten Natur geworden." (Karl Schumann, MERIAN 2/XXII 1969, S.78)