Dmitri Schostakowitsch: Streichquartett Nr.2 auf CD

Schostakowitsch komponierte sein Streichquartett Nr. 2 in A-Dur op. 68 in nur neunzehn Tagen im Sommer 1944 in einem »Haus der Ruhe und Kreativität« (eines der von der Regierung geförderten ländlichen Ausflugsziele für Schriftsteller und Komponisten) in Ivanovo. Es wurde am 20. September fertiggestellt und war mit seinen Anspielungen auf russische Volksmusik eine loyale Antwort auf den »Großen Vaterländischen Krieg«, aber durch die Einbeziehung von Stilelementen der geistlichen und Klezmer-Musik der osteuropäischen Juden, die in Russland und Osteuropa historisch unterdrückt wurden, gingen seine Implikationen noch weiter. Schostakowitschs Interesse an jüdischer Musik war durch die Fertigstellung der einaktigen Oper Rothschild's Violin seines begabten jüdischen Schülers Veniamin Fleischmann geweckt worden, der 1941 im Krieg gefallen war. Durch die Einbeziehung jüdischer Stilelemente wollte er vielleicht sein Mitgefühl für das verfolgte jüdische Volk zum Ausdruck bringen, insbesondere als 1944 die Nachricht von den Gräueltaten im Konzentrationslager Treblinka bekannt wurde, das von Nazideutschland im besetzten Polen während des Zweiten Weltkriegs errichtet und betrieben wurde.

Während seines Aufenthalts in Batumi, Georgien, Ende Oktober / Anfang November 1931 adaptierte er an einem Abend zwei kurze Sätze aus früheren Werken als Geschenk für das Jean Vuillaume Quartett. Seine wunderschöne Elegie (manchmal mit Adagio überschrieben) für Streichquartett ist abgeleitet von Katerina Ismailowas Arie »Das Fohlen läuft dem Stutfohlen nach« in Akt I, Szene 3 von Lady Macbeth, die er in ihrer Originalversion 1932 vollendete. Die Polka (manchmal Allegretto betitelt) stammt aus Schostakowitschs erstem Ballett Das Goldene Zeitalter Op. 22 (1929-30), das den Besuch einer sowjetischen Fußballmannschaft in einer dekadenten westeuropäischen Stadt dramatisiert. Die Fußballer werden verschiedenen Demütigungen ausgesetzt, darunter Gefängnisstrafen, werden aber schließlich freigelassen, als die Arbeiterklasse gegen ihre bürgerlichen Herrscher revoltiert, und das Ballett endet mit einem Solidaritätstanz zwischen den Fußballern und den Arbeitern.

Kissins Streichquartett ist eine passende Ergänzung zu Schostakowitschs Werken auf dieser CD, nicht zuletzt, weil die musikalische Sprache beider Komponisten viel gemeinsam hat. Obwohl Kissin sich in diesem Medium offensichtlich erst zurechtfinden musste, tat er dies mit Hilfe von Musikerkollegen, insbesondere Mitgliedern des Emerson Quartetts, mit dem er einige Kammermusikkonzerte gegeben hat, und des Kopelman Quartetts, die offenbar verschiedene Änderungen an seiner Originalpartitur in Bezug auf bestimmte technische Probleme und Streichereffekte empfohlen haben. Das Werk selbst ist modernistisch, streng konstruiert, aber zutiefst kommunikativ und umfasst eine eklektische Mischung von Stilen, die zu Kissins Leben und Karriere gehören.

Rezensionen

»Mikhail Kopelman war bereits Primarius des berühmten ‘Borodin Quartett’.​ Nunmehr füllt er diese Position in dem nach ihm benannten Quartett.​ Auch seine drei Kollegen haben noch die goldenen 70-er Jahre des letzten Jahrhunderts am Moskauer Konservatorium mit Lehrkräften wie David Oistrach, Dmitri Shostakovich, Natalia Gutman sowie Mstislav Rostropovich erlebt und können noch heute von diesen frühen Erfahrungen zehren.​ … Das Quartett knüpft in dem hohen Standard seiner musikalischen Darstellung an die großen Vorbilder an und nutzt dazu auch den Ton der russischen Schule.​ Diese von großem Volumen und Ausdrucksintensität geprägte Tonsprache ruft beim Hörer tiefe Gefühle für die russische Seele hervor.​« (Pizzicato)