Ein Parforce - Ritt durch die Musikgeschichte: von Landi bis Offenbach
Zuweilen war über diese Platte zu lesen, sie sei sängerisch indiskutabel, die Stimme sei verbraucht, es gäbe Intonationstrübungen, die Stimme sei brüchig, und was es noch so an Gehässigkeiten geben mag. Schade, daß die Rezensenten offenbar eine andere Platte gehört haben. Doch wer eine technisch bis in die kleinste stimmliche Nuance ausgefeilte septisch reine Gesangsdarbietung erwartet, der hat in der Tat an dieser wunderbaren Platte keine Freude. Das machen perfekt ausgebildete Endzwanzigerinnen in der Tat besser. Die Frage ist nur, warum ich mir derart seelenloses Geträller anhören sollte.
Patricia Petibon singt nicht, sie lebt die Musik, die sie interpretiert, die Rollen, die sie darstellt, das Leiden der Personen, ihre Freude, ihren Schmerz. Und sie tut dies wie immer mit einer ungeheuerlichen Leidenschaft und mit sehr viel emotionaler Ehrlichkeit, die vielleicht den einen oder die andere überfordert, die Empfindungen kommen geballt und heftig aus den Lautsprechern. Das ist sehr selten heutzutage und man sitzt gebannt und wehrlos vor dem emotionalen Sturm, der entfacht wird. Man hört an einigen Stellen, daß auch Stimmen altern, die Geschmeidigkeit der jungen Jahre an einigen Stellen ein wenig verloren geht und Spitzentöne nicht mehr mit der Leichtigkeit früher Jahre erreicht werden. Geschenkt ! Das, was an Radikalität in Ausdruck und Emotion, Rollenauslegung und purem nackten Erleben zu hören ist, wiegt jede kalte reine Perfektion, jedes Singen jeden Versuch, bloß ja niemandem weh zu tun, mehr als auf.
La Cetra unter Andrea Marcon gelingt, wie schon bei früheren gemeinsamen Aufnahmen, die perfekte Unterstützung der Intensionen Patricia Petibons. Auch das junge Orchester geht ins Risiko und verläßt die ausgetretenen Pfade des reinen Wohlklangs. Einzelne Titel herauszugreifen, ist nicht erforderlich, allein die gemeinsame Gestaltung von Stefano Landis Passacaglia della Vita gibt die Richtung vor, Petibon gestaltet jede der zahlreichen Strophen dynamisch und vom Ausdruck her anders, bis hin zum leise zitternden Vibrato an den Enden einiger Strophen, die Violinen umkreisen sie dabei immer schneller, bis die Dynamik hin zum geflüsterten Schluß schließlich ganz einbricht.
Einziges wirklich störendes Manko dieser Produktion: Die Texte sind nicht abgedruckt. Das war auch schon bei der vorigen Platte Lamour, la mort, la mer sehr ärgerlich und es ist nicht nachvollziehbar, was sich SONY dabei denkt.
Allerdings gibt es noch ein weiteres Manko, ich muß bestimmt wieder zwei Jahre warten, bis die nächste Platte von Patricia Petibon erscheint, wie schade!