Eine wertvolle Entdeckung!
Zu dieser Doppel-CD und zu den von mir abgegebenen fünf Sternen muß einiges gesagt bzw. geschrieben werden! „Der Teufelsreiter“ ist Kálmáns viertletzte Operette. Rudolf Schanze und Dr. Ernst Welisch schrieben das Libretto, und die Uraufführung fand am 10. März im Theater an der Wien statt. Völlig zu unrecht ist dieses Werk vergessen und auf dem Plattenmarkt bis jetzt nicht zu finden gewesen. Für alle Kálmán- und Operetten-Freunde ist diese Doppel-CD eine große Bereicherung, dessen Wert und Hörgenuß nicht geschmälert wird, dadurch daß man kein Wort versteht, wenn man die schwedische Sprache nicht beherrscht. Diese Aufnahme stammt aus dem Jahre 1944 aus Stockholm, der Klang ist entsprechend, aber ohne Störgeräusche (nur drei kleine „Hacks“, einen „Hüpfer“ und einen kleinen Aussetzer). Alle Sänger sind hervorragend, ebenso das Orchester, und es wird mit Feuer und Herzblut musiziert und gesungen, wobei man Kálmán voll gerecht wird. Die schwedische Sprache (man kann sich einfach vorstellen, es sei ungarisch….!) paßt zu Kálmáns Musik und klingt durchaus melodiös, an manchen Stellen vielleicht sogar schöner als das Deutsche. Von der Handlung versteht man zwar nichts, und auch eine Inhaltsangabe liegt nicht bei, aber das mindert nicht die Freude an dieser Operette und dieser Aufnahme. Ich empfehle diese Doppel-CD nicht nur allen Kálmán-Fans zum Kennenlernen und Neuentdecken, sondern durchaus allens Freunden guter Operettenmusik einfach zum mit-Freude-Hören. Den Schellack-Sound muß man natürlich hinnehmen, aber die Tatsache, daß diese Einspielung zu Lebzeiten des Meisters entstand, macht das ganze vielleicht sogar noch spannender!
Für alle, die sich diesen Genuß nicht entgehen lassen möchten und die CD kaufen/gekauft haben, hier ein kurzer Überblick über den Inhalt der CD zur Orientierung:
[Im folgenden bedeutet „Nr.“ die Nummer im Klavierauszug und „Track“ den Platz auf der CD.]
Track 1 bringt ohne Vorspiel kurz den Eingangschor „Prachtvoll, unvergleichbar“, in dem das Publikum die Reitkünste beim Turnier lobt. Es folgt Prosa (auf schwedisch, wie gesagt). Track 2 bringt Nr.1a, den herrlichen, mitreißenden Marsch im 12/8-Takt „Die Siebener-Husaren“, gesungen vom Major (auf der CD vermutlich „Greve Boroty“ alias Ake Klasson) mit Chor, der in seiner flotten Art an die Märsche „Wenn die Garde aufmarschiert, sind die Mädels alarmiert“ aus Kálmáns Tonfilm „Ronny“ und auch an „Wenn die Garde schneidig durch die Stadt marschiert“ aus „Die Herzogin von Chicago“ erinnert. Schon ein erster Ohrwurm (ein Vers und zweimal Refrain)! Es folgt Prosa, und am Ende von Track 2 erklingt schon unter den gesprochenen Worten das Vorspiel zu Nr.2, die Track 3 bringt: Sándor singt „So verliebt kann nur ein Ungar sein“, und wenn man nicht wüßte, daß es schwedisch ist, würde man es für ungarisch halten. Mit Paprika und Herzblut dargeboten (zwei Verse)! Track 4 (Prosa) endet wieder mit dem Vorspiel zu Nr. 3 (= Track 5): „Ein Wiener Mädel“ mit Leontine und Sophie. Selten bei Kálmán ist der hier zu findende zweistimmige Gesang der beiden Frauenstimmen. Leontine ist die Tochter Metternichs (im übrigen ist auch Sándor eine historische Figur!) und Sophie ihre Freundin. Das Buffo-Paar Anina-Karl und der dazugehörige Honorius fehlen leider in dieser Aufnahme, so daß Nr. 4 übersprungen wird („Beim gold’nen Lamm“). Track 6 (Prosa) leitet Nr.5 ein: „Willst Du nicht was Liebes mir sagen?“ im Tango-Manier mit Sándor und Leontine wieder ein Ohrwurm. Nr. 6 fehlt wieder („Küß mich“, Karl mit Damenchor), und Track 8 bringt schon das Finale I: „Armes Volk in Not“. Sándor setzt sich mit einer Petition an die Kaiserin für sein ungarisches Volk ein. Die einzigen drei Worte, die man versteht bringt Track 9: „Herr von Metternich“! Sándor beschwert sich energisch und reißt den Hörer hier mit! Track 10 bringt Trompeten- und Hornsignale zwischen gesprochenen Passagen z.B. bei der Überreichung der Petition (Melodram). Die vorigen Nummern klingen an und so endet der erste Akt. Metternich ist nicht erfreut davon, daß die Kaiserin tatsächlich nach Ungarn reisen will, um sich ein Bild zu machen.
Der erste Akt spielte in Wien, die beiden folgenden in Preßburg. CD 2 wird eingelegt. Nr.8 „Wo nimmt man heut Geld her?“ mit Karl und Honorius wird wiederum ausgelassen und Track 1 leitet am Ende noch unter Gespräch die Nr.9, das Brief-Duett, wieder zweistimmig mit Leontine und Sophie ein, die einen Brief von Sándor lesen, der in Leontine verliebt ist. Die Nr. 10 „Schließ’ nicht dein Fenster zu“ fehlt an dieser Stelle auch und erscheint nur im Finale II. Der Mulatság mit den Buffonisten wird ebenso übergangen, was schade ist, aber die übrigen Nummern bilden auch so ein in sich stimmiges dramatisches Geschehen. Oft –wie z.B. der Shimmy in der Bajadere- sind die Buffo-Nummern ja auch etwas „neben der Spur“, wenn ich mal so sagen darf. Umso verliebter geht es in Nr.12 („Leg’ Deine Hand in meine“) zu (Einleitung am Ende von Track 4, dann Track 5). Finale II bringt das „Herr von Metternich“-Thema, aber diesmal singt es der Ungarn-Chor: „Unsre Königin“, und huldigt damit der Herrscherin. Interessant, wie dieser Gesang hier mit gleicher Melodie so anders wirkt! Auf Ungarisch (hier dann tatsächlich Ungarisch!) wird etwas verlesen (Sprechrolle Schleiderer, im Original Pfleiderer) und Sándor merkt gleich, daß alles ein Fake ist: Metternich hat Leute angeheuert, die hier nur schauspielern, nicht die wirklichen Ungarn. „Gewissenlos!“ schimpft Sándor in Track 8. Er interveniert, aber Leontine ruft: „Schweigen Sie!“ Sie sitzt nun zwischen zwei Stühlen: ihrem Vater und ihrem Geliebten. Sie steht dazu, eine Metternich zu sein, und hier erklingt das Thema ein drittes Mal: „Eine Metternich müßt’ dem Mann vertraun, den sie liebt!“ Und wieder klingt dieselbe Melodie ganz anders. (Am Ende von Track 9 gibt es einige Sekunden / etwa drei Takte technische Stille = Aussetzer). Track 10 bringt nochmal einige Takte aus Nr. 1a, und dann folgt der schmerzliche Abschied Leontines von Sándor (Melodram). Der zweite Akt endet mit der Melodie der (fehlenden) Nr. 10 („Schließ’ nicht dein Fenster zu“).
Der dritte Akt beginnt mit einem Tanz, einem Palotasch (Track 12, Nr.14), wobei man die Tänzer deutlich stampfen und klatschen hört: ein echter Kálmán! Das Ende von Track 13 (Prosa) leitet Nr. 15 (Track 14) ein: „Wenn Du von mir nichts wissen willst“. Sándor redet auf Leontine ein. Nr.16 („Fräulein, Sie sind ein Schlager“ mit Honorius, Anina und Karl) fehlt hier, und es scheint, daß es wirklich der übergeordneten Handlung zu Liebe weggelassen wurde. Es folgen etliche Gespräche, die natürlich zum Happy End führen. Im Klavierauszug ist als Schlußgesang nochmal die Nr.5 („Willst Du nicht was Liebes mir sagen?“) vorgesehen. In der Aufnahme – und so wird es häufig gemacht- erklingt stattdessen noch einmal der große Chor mit „Unsere Königin“ zum „Herr von Metternich“-Thema aus Finale I.
Soviel zur Orientierung. Und nun viel Spaß! Mein Rat: Kaufen!!!