Satire auf das maßlose Müssen der Menschen
Immer mehr Menschen leiden an Burnout, doch keiner weiß wirklich, woher diese psychische Krankheit kommt. Keiner? Doch! Der US-Bestseller-Autor Sean Brummel alias Tommy Jaud hat den Ursprung dafür in mangelnder Faulheit und dem maßlosen Müssen der Menschen gefunden. Nach seinem extra dafür entwickelten Motto ESMI, kurz für "Einen Scheiß muss ich!", beseitigt er all seine Probleme, wie etwa die nervige Ehefrau und den langweiligen Job, und fängt an, das Leben in vollen Zügen zu genießen. Da ihm diese Weisheit sehr geholfen hat, ein glücklicher Mensch zu werden, schreibt er dieses Buch als Manifest gegen das schlechte Gewissen, um die ganze Menschheit davon zu überzeugen, dass sie nicht jede Diät oder neue Sportart mitmachen müssen, um den perfekten Körper zu erlangen, oder dass sie auf den Alkoholkonsum verzichten müssen, weil er angeblich Gehirnzellen abtötet und dem menschlichen Körper schadet, um ein perfektes Leben zu führen. Sean Brummels Buch ist kein Plädoyer für wurstigen Egoismus, sondern ein urkomischer Befreiungsschlag gegen Leistungswahn, Bevormundung und Gemüseterrorismus.
"Einen Scheiß muss ich" ist das erste Buch des Comedy-Experten Tommy Jaud, das ich jemals gelesen habe, weshalb ich mit Vorsicht an das Buch herangegangen bin, weil so eine Art von Roman schnell ins Eigenartige umschwenken kann. Doch entgegen meiner Erwartung hat mich Tommy Jauds aktuelles Werk überzeugt und bekommt daher vier Sterne von mir. Alleine Jauds Motivation, diesen Roman zu schreiben, finde ich super: Fasziniert von amerikanischen Ratgeber-büchern und schwer irritiert vom wachsenden Trend des maßlosen Müssens hat er sich dazu entschieden, selbst einen solchen Ratgeber zu schreiben. Es stellte sich ihm lediglich das Problem in den Weg, dass er kein Amerikaner ist, weshalb er einfach einen erfand: Den guten Sean Brummel. Mit diesem Paradebeispiel eines amerikanischen Mannes hat er eine sympathische Figur geschaffen, die obendrein so schamlos gegen alle Regeln des gesunden Menschenverstandes handelt, dass es schon wieder lustig ist. Wo wir auch schon bei der grundlegenden Thematik dieses Buches angekommen wären: Dem maßlosen Müssen der Menschheit. Tommy Jaud nimmt mit seinem Werk die menschliche Spezies und insbesondere deren obskure Verhaltensweisen auf den Arm, wobei hinter seiner Komik und der vor Ironie überschäumenden Kritik stets ein ernstzunehmender Funken Wahrheit steckt, den man nicht außer Acht lassen sollte. Deshalb ist dieses Buch nicht nur eine Satire, sondern es soll den Leser darauf aufmerksam machen, wie schlecht es eigentlich ist, immer unter dem Zwang zu stehen etwas zu müssen. Warum kann man nicht einfach mal die Füße hochlegen und ein Buch lesen, anstatt den Haufen an Wäsche zu bügeln, gemäß Sean Brummel treffenden Mottos ESMI. Einen Scheiß muss ich! Mir persönlich war das Buch an manchen Stellen zu abgedreht, was aber wahrscheinlich daran liegt, dass Bücher dieser Art nicht unbedingt zu meinen Lieblingsgenres gehören. Super fand ich aber die bunten Illustrationen, welche das ohnehin schon durch den lockeren Schreibstil gegebene Lesevergnügen nochmal gesteigert haben. Am längsten ist mir folgender Nachrichtendialog - man sollte vielleicht dazusagen, dass Sean (S) leicht alkoholisiert war, als er dies an seine Freundin Karin (K) schrieb - im Gedächtnis geblieben, die ich einfach zum Brüllen komisch fand: "KAren, ich weiss is sauspät, aber Du bistz so süss und ich muss dich sehen!!!" (S) - "Ich lieg neben Dir Sean!" (K) - "Wo? Da gehts szeil runter!!!" (S) - "Andere Seite!!!" (K). Insgesamt kann ich dieses Manifest gegen das schlechte Gewissen auf jeden Fall empfehlen, doch man sollte nicht alles zu ernst nehmen und vor allem nicht empfindlich sein, ansonsten wird einem dieses Buch mit Sicherheit nicht gefallen.