Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht
Rose Gold dachte, sie wäre schwer krank und müsste ihr Leben lang im
Rollstuhl sitzen, isoliert von allen Menschen außer ihrer Mutter Patty. Als sie herausfindet, dass ihre Mutter sie die ganze Zeit über vergiftet hat, um sie an den Rollstuhl zu fesseln, muss Patty ins Gefängnis und Rose Gold kann endlich ein eigenes Leben beginnen. Doch bald hat Patty ihre Gefängnisstrafe abgesessen und Rose Gold plant, es ihr ein für alle Mal heimzuzahlen.
Stephanie Wrobel greift in ihrem Roman das Münchhausen-Stellvertreter-Syndroms auf, das Rose Golds Mutter Patty dazu bringt, ihre Tochter seit ihrer Geburt zu vergiften, um sie von sich abhängig zu machen und durch die zahlreichen Arztbesuche Aufmerksamkeit zu generieren. Sie fühlt sich wohl in der Rolle als alleinerziehende Mutter eines kranken Kindes und hat es perfektioniert, ihr Umfeld und auch ihre Tochter zu belügen und manipulieren, um dieses Bild aufrecht zu erhalten. Erst als Rose Gold älter wird und anfängt, das Verhalten ihrer Mutter zu hinterfragen, kommt ihre Lüge ans Licht und auch ihre Nachbarschaft wendet sich von ihr ab. Rose Gold wird gerade zu Anfang als naiv und abhängig skizziert, versucht aber, nachdem ihre Mutter im Gefängnis gelandet ist, sich so schnell wie möglich zu emanzipieren und alles nachzuholen, was ihre Mutter ihr bisher verwert hat. Allerdings schreckt auch sie vor Lügen und Manipulationen nicht zurück, um zu bekommen, was sie glaubt verdient zu haben. Beide Charaktere sind sich doch ähnlicher als gedacht und leben von ihren verschiedenen Facetten, jede ist sowohl Opfer, als auch Täterin. Patty scheint sich beispielsweise ernsthaft Sorgen um Rose Gold zu machen, wenn es ihr schlecht geht, und verdrängt dabei scheinbar, dass sie selbst das Leiden ihrer Tochter verursacht. Sie betitelt sie als schwach, unzulänglich und abhängig, hat sie aber genauso erzogen. Rose Gold selbst ist schockiert von den Lügen und Intrigen ihrer Mutter, schreckt aber selbst nicht davor zurück, Menschen in ihrer Nähe zu belügen und manipulieren, um es ihrer Mutter am Ende heimzuzahlen.
Das Buch liest sich sehr flüssig und hat mich gleich zu Beginn in seinen Bann gezogen. Es ist unglaublich spannend, da man einerseits unbedingt die Hintergründe von Rose Golds Kindheit erfahren möchte und andererseits wissen möchte, was genau sie nach der Entlassung ihrer Mutter im Schilde führt. Dieser Spannungsbogen bleibt im gesamten Buch erhalten, da die Geschehnisse abwechselnd aus Pattys und Rose Golds Sicht erzählt werden. Patty beschreibt dabei die gegenwärtigen Ereignisse, Rose Golds Kapitel spielen in der Vergangenheit, sodass man bis zum Ende im Unklaren darüber bleibt, was Rose Gold nun genau vorhat. Erst nach und nach fügen sich die Erzählstränge zu einem vollständigen Bild zusammen. Das Ende ist logisch und passend, obwohl es für mich doch ein bisschen „zu perfekt“ aus Rose Golds Sicht funktioniert hat. Ein etwas überraschenderes Ende hätte das Buch für mich perfekt gemacht. Trotzdem hat das Buch mich gefesselt und ich würde es gerade wegen des ungewöhnlichen Themas und des spannenden Aufbaus gerne weiterempfehlen.