Neue Trilogie mit neuen Aspekten
Mit „Sinful Prince“ beginnt Meghan March ihre neue „Sinful Royalty“-Trilogie – ein Spinn-Off ihrer in diesem Jahr abgeschlossenen „Sinful“ Empire-Reihe. Protagonistin ist Temperance Ransom, Keira Kilgores Assistentin, die beide bereits aus dem ursprünglichen Dreiteiler bekannt sind. Ich kann aber bereits vorwegnehmen: Vorkenntnisse sind nicht zwingend erforderlich. Es treten zwar bekannte Personen am Rande wieder auf und es wird sehr entfernt auf vergangene Ereignisse Bezug genommen, aber der Leser oder die Leserin kann der Geschichte inhaltlich auch dann problemlos folgen, wenn dies das erste Buch der Autorin für ihn oder sie ist.
Temperance arbeitet hart und ist stolz auf das, was sie erreicht hat. Als sie allerdings ungeplant eine wilde Nacht mit einem Fremden verbringt, erwacht ihre wilde Seite. Sie kann danach kaum noch an etwas Anderes denken, als an das nächste Treffen mit ihm und welche geheimen Sehnsüchte er ihr erfüllt. Auf der anderen Seite will sie ihren seriösen, schwer erarbeiteten Lebensstil, nicht aufs Spiel setzen. Und ganz ungefährlich scheint der Unbekannte auch nicht zu sein.
Was mir bei dem Cover auf den ersten Blick am besten gefällt, ist, dass es - entgegen dem Trend im Genre - nicht einen Mann mit nacktem Oberkörper oder im Anzug zeigt. Diese wirken alle generisch und austauschbar und ich finde es schön, dass LYX bei dieser Reihe zeigt, dass es auch anders geht. Der Tropfen, der ins Wasser fällt und es nach oben spritzen lässt, ist ein perfekt passendes Sinnbild für Temperance Erlebnis mit dem Fremden. Nach Außen hin ist sie eigentlich das sprichwörtliche „Stille Wasser“ und die Begegnung mit dem Unbekannten ist der Tropfen, der sie durcheinanderwirbelt und eine unterdrückte Seite in ihr aufweckt. Das passiert auf eine unkontrollierbare Weise, genau wie man nicht vorhersagen kann, wo das Wasser hin spritzt. Eine großartige Gestaltungsidee ist außerdem, dass das aufspritzende Wasser wie eine Krone aussieht. Dies spiegelt den Namen der Reihe und des Teils gut wider. Wie auch bei der „Sinful Empire“-Reihe bin ich wieder begeistert, wie viele Gedanken man sich hier über das Design gemacht hat.
Der Schreibstil von Meghan March gefällt mir gut. Alles, was sie beschrieb, konnte ich bis ins kleinste Detail vor meinen Augen sehen. Auch die explizite Sprache finde ich für die Geschichte absolut passend.
Das Buch ist vollständig aus der Perspektive von Temperance geschrieben. Der Leser oder die Leserin kennt sie ja bereits aus Meghan Marchs vorangegangener Reihe. Hier fand ich sie immer sehr sympathisch und habe mich jetzt gefreut, sie etwas besser kennenzulernen. Dass sie diese wilden Fantasien in sich trägt, hätte ich überhaupt nicht erwartet! Ihren Charakter finde ich in dem neuen Buch nachvollziehbar und authentisch gestaltet, vor allem durch den inneren Kampf, der Lust nachzugeben gegen das Festhalten am Bekannten und Sicheren. Das alles lässt Temperance sehr menschlich wirken und ich konnte sehr gut mit ihr mitfühlen.
In ihrer neuen Reihe hat Meghan March auch etwas Neues gewagt. Neben der bekannten prickelnden Erotik und der gefährlichen Spannung, lässt sie ein interessantes Thema einfließen: Kunst und Selbstverwirklichung. Das hat dem Buch eine neue, viel tiefere und glaubhaftere Ebene hinzugefügt, die manchen Erotikromanen fehlt.
Leider waren viele andere Darstellungen im Buch absolut nicht glaubhaft und haben sich künstlich angefühlt. Temperance scheint gar kein Problem damit zu haben, ihre intimen Erlebnisse jedem anzuvertrauen, egal wie kurz sie die Person erst kennt. Von einem aufdringlichen Charakter – welcher allerdings eine tolle Prise Humor mit in die Geschichte bringt – lässt sie sich bis auf innerste ausfragen und auch mehreren Frauen, die sie erst kurz kennt, vertraut sie sofort alles an. Dies wirkte beim Lesen nicht realistisch auf mich.
Ein bisschen gestört hat mich außerdem noch die immense Geheimniskrämerei, die Meghan March auch diesmal wieder betreibt. Nirgendwo erfährt man etwas Konkretes, unendlich viele Fragen sammeln sich im Kopf und man beginnt auch in unwichtige Sachen viel zu viel hineinzuinterpretieren. Die Autorin lässt ihre Charaktere alle sehr vage und verhüllt sprechen und auch denken. Wenn man am Ende dann mal auf das Buch zurückschaut, muss man ehrlicherweise feststellen, dass man keine wirkliche Geschichte geliefert bekommen hat. Da ich aber wieder auf so eine unerwartete Auflösung wie in der „Sinful Empire“-Trilogie hoffe, kann ich meinen Unmut darüber gerade noch unterdrücken. Nach wie vor bleibt aber auch der fade Beigeschmack, ob nicht alle drei Bände in ein Buch gepasst hätten.
Temperance ist ein authentischer Charakter und sicher für viele Leser und Leserinnen absolut nachvollziehbar. Durch den zusätzlichen, neuen Aspekt hat Meghan March sich als Autorin verbessert, was ich definitiv positiv bewerte. Zu Lasten meiner Bepunktung gehen jedoch einige künstliche, unrealistische Szenen. Da ich meinen Ärger über die ganzen eingestreuten Nebelkerzen (oder auch nicht?) aber noch zurückhalten kann, komme ich insgesamt zu 4 von 5 Sternen.