Die Frauen von Gut Falkensee
In ihrer Familiensaga „Die Frauen von Gut Falkensee“ greift Luisa von Kamecke auf die Geschichte ihrer eigenen westpreußischen Familie zurück. Sie füllt das Geschehen mit Hintergrundwissen der örtlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten, so dass Gut Falkensee und seine Bewohner schnell vor dem geistigen Auge entstehen. Hier ist es von besonderem Reiz, dass sie Angehörige der unterschiedlichen Klassen gegenüberstellt und zugleich bewusst macht, dass auch die privilegierte Klasse wie der westpreußische Landadel trotz pflichtbewusster Sparsamkeit durchaus in finanzielle Schwierigkeiten geraten kann und daraus folgend Zwängen unterworfen ist.
Wie kann also etwas, das eine Lebensgrundlage bildet, von der nicht nur eine Familie, sondern auch die Dienstboten abhängig sind, gerettet werden?
Im Falle von Gut Falkensee und der von Bargelows verhindert im Jahre 1904 nur eine Heirat der ältesten Tochter mit einem wohlhabenden Mann den Ruin. Es ist vor allem das Bewusstsein, das Erbe der Familie zu erhalten und der Verantwortung genüge zu tun, die Charlotte zustimmen lassen, diesen Schritt zu gehen, obwohl es die impulsive und wissbegierige junge Frau vielmehr danach drängt, ihre Studien, von denen die Eltern nichts ahnen, in Paris fortzusetzen, um noch mehr über Landwirtschaft, Chemie und andere Wissenschaften zu lernen. Charlottes Traum ist es nämlich, das Landgut selbst führen zu können, auch wenn dieser Wunsch wegen ihres Geschlechts nahezu unerfüllbar bleiben wird.
Und so entscheidet sich die kluge Charlotte, die trotzdem den Ernst der Lage erkennt. Sie tut letztlich das, was nötig ist, um Falkensee zu retten: Sie heiratet Baldur von Krammbach. Womit sie bei allem jedoch nicht gerechnet hat, sind ihre Empfindungen für den Polen Karol...
Luisa von Kamecke gelingt es, die Ereignisse in einem lebhaften Rahmen zu setzen, in dem ihre Protagonisten mehr oder weniger erfolgreich handeln und einige Entscheidungen treffen. Sie bezieht die politische Situation ein und berücksichtigt hierbei das Verhältnis von Polen und Deutschen. Daneben stellt sie unterschiedliche Lebensmodelle und -wege dar.
Trotz einiger freudiger Ereignisse und vieler berührender Momente überwiegt ein schicksalsträchtiges Geschehen, und es herrscht insgesamt eine traurige Grundstimmung, das von verlorenen Möglichkeiten geprägt ist. Und obwohl die Autorin nicht alles bis in die Tiefe auslotet, entwickeln sich durchaus nachvollziehbare Gefühle, wenngleich sie nicht immer Wohlwollen hervorrufen. Luisa von Kamecke positioniert ihre zahlreichen Figuren gut in der Geschichte und verleiht ihnen gemischte Charakterzüge. Sie stellt sie nicht auf einen Sockel, sondern zeigt auch ihre Schwächen auf, die zu fehlbaren Menschen machen, die scheitern können.
Die Frage ist, ob aus diesen Niederlagen etwas Neues erwachsen kann...