Vorzeitiges Abreisen steht am Beginn ...
... und Ende des Romans. Anfang der 1930er Jahre bedienen sich englischsprachige Ethnologen jeweils monatelanger Gastfreundschaft von Kulturen Neuguineas. Jeder weitere Stamm bedeutet das Erlernen einer weiteren Sprache. Man bricht nicht ohne Not vorzeitig auf.
Erzählt wird von Andy Bankson, der seine Studien allein betreibt, und Nell Stone, die mit ihrem Ehemann Schuyler Fenwick arbeitet. Bei einer Weihnachtsfeier kreuzen sich ihre Wege und beginnt ein anregender Austausch, der die Zukunft jedes einzelnen entscheidend prägt.
Bankson und Nell unterscheiden sich durch ihre Sanftmut von Fen. Angesichts der entbehrungsreichen Arbeit erleben die beiden ihre Gemeinsamkeiten umso intensiver als Stärkung. Ihr Forscherblick beschränkt sich nicht auf die fremde Welt, sondern hinterfragt auch die eigene und dabei nähren sich Zweifel, etwa an der eigenen Sozialisation, den Erkenntnisfähigkeiten, der Belastbarkeit und den zurechtgelegten Beziehungsmodellen.
Nell und Fen wollen sich die Arbeitsthemen aufteilen, doch beim Stamm der Tam vernachlässigt Fen mehr und mehr die wissenschaftlichen Anforderungen. Er scheint mit Teilen der Dorfgemeinschaft zu verschmelzen und auch bei der Pflege des erkrankten Bankson verliert er eine gewisse Distanz. Mit der Rückkehr von Xambun, der Hoffnung des Stammes, aus der Welt der Weißen, bietet sich Fen ein Schlüssel zum Glück oder Unglück vieler Personen.
Manches hätte ich gern ausführlicher erfahren. (Und deshalb nur 4 Bewertungssterne?) Die auftretenden Tam bleiben Nebenfiguren, wenn auch vielgestaltig charakterisiert. Im Spiegel der alles andere als patriarchalen Stammesgesellschaft und ihrer Spielarten von Polygamie und Homosexualität werden erdrückende Konventionen des Abendlandes deutlich, dessen Entwicklungspotenzial heute kaum weniger groß zu sein scheint, als zur Zeit der Handlung.
Es ist ein Genuss, von den drei Hauptfiguren in ihrem jeweils typischen Ausdruck zu lesen. Mehrere Erzählperspektiven, vor allem von Bankson und Nell, und unterschiedliche Textformen, wie etwa Tagebucheinträge, offenbaren Möglichkeiten und Schwierigkeiten der Verständigung innerhalb eines Milieus und zwischen den Kulturen.
"Ich erfasse die Beziehungen unter den Frauen, die Sympathien & Antipathien im Raum auf eine Weise, wie ich es über die Sprache nie könnte. Im Grunde behindert die Sprache die Kommunikation, merke ich immer wieder, sie steht im Weg wie ein zu dominanter Sinn. Man achtet viel stärker auf alles Übrige, wenn man keine Worte versteht." (gegen Ende von Kapitel 7)
Einer der wenigen Romane, die ich sicherlich wiederlesen werde. (Warum nicht 5 Bewertungssterne?)