Gute Ansätze mit Schwächen in der Umsetzung
„Vermeer lässt vieles in seinen Bildern offen und ungeklärt. Er arbeitet mit Nuancen, mit feinen Abstimmungen, überhaupt mit dem, was man das Atmosphärische nennt, und dadurch verführt er uns als Besucher, einzutreten (…). In gewisser Weise entzieht er sich und den Bildern eine Eindeutigkeit und lockt damit unser Vorstellungsvermögen hervor (…).“
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INHALT:
Auch im dritten Band benötigt Giovanna Ferrara, Chefin vom großen Londoner Auktionshaus Chroseby, die Hilfe von Peter Falcon.
Der ehemalige Kunsthistoriker, der mittlerweile einen eher weniger erfolgreichen Comic- und Plattenladen führt, könnte aufgrund seiner außergewöhnlichen Begabung erneut von Bedeutung sein: Seine besondere Beziehung zur Kunst erlaubt ihm, in Kunstwerke einzutauchen und sie sowie ihre Künstler und andere Beteiligte, lebendig werden zu lassen.
Diesmal bietet ein unbekannter Absender Chroseby Briefe aus dem 17. Jahrhundert zum Verkauf an.
Darin schreibt ein Linsenschleifer, der sich selbst „Grinderman“ nennt, von seinem Handwerk und erwähnt dabei, dass der Maler Jan Vermeer bei ihm Kunde war.
Könnten die Schriftstücke etwa beweisen, dass Vermeer für seine fotorealistischen Gemälde eine Camera Obscura verwendet hat?
Ein mechanischer Ursprung würde das Verständnis der Kunstwelt auf den Kopf stellen!
„Es geht um ganz grundsätzliche Fragen. Zum Beispiel: Was darf Kunst? Was darf Wissenschaft? Was bedeutet es, wenn beide eine Art Symbiose eingehen? Und wer bestimmt eigentlich, was Kunst ist und, daraus folgernd, was wir sehen dürfen?“
„Es geht um sein Geheimnis, um seine fotorealistische Malweise! War es sein Genie? Oder hat er einfach nur eine technische Apparatur aufgestellt, die ein Bild projiziert hat, das er nur noch akribisch abpausen musste?“
Peter Falcon fliegt nach Amsterdam, um der Sache auf den Grund zu gehen …
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MEINUNG:
Wie bereits die anderen Bände enthält auch „Das Mädchen hinter dem Vorhang“ tatsächliche Rätsel, Ereignisse und Fakten aus der Kunstwelt sowie historische Figuren.
Die Verknüpfung von Fiktion und Realität ist Leif Karpe erneut sehr gut gelungen. Hilfreich und notwendig finde ich daher die historische Einordnung, welche sich im Anschluss an die Geschichte im Buch befindet.
Besonders macht die Reihe um Peter Falcon für mich die Prise an magischem Realismus. Der Protagonist schlüpft dabei in die Bilder hinein, begegnet den Leuten darin, oder auch den Künstlern sowie anderen historischen Personen.
Im hiesigen Band kam mir das etwas zu kurz und ich fand es schade, dass ihm diesmal so wenige Künstler begegnet sind.
Dafür wurden erfreulicherweise ein paar Gemälden näher beleuchtet. Vor allem „Brieflesendes Mädchen am offenen Fenster“ von Vermeer, aber auch sein „Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge“ und „Stadtansicht von Delft“ sowie Rembrandts „Anatomie des Dr. Tulp“ oder Michelangelo Buonarrotis „Erschaffung Adams.“
Diese Inhalte habe ich mit großem Interesse verfolgt.
Außerdem regt die Frage zum Kunstbegriff zum Nachdenken an: Sollte ein Bild von Vermeer weniger wert sein, falls sich im Nachhinein herausstellen würde, dass er es mithilfe einer Camera Obscura gemalt hat?
Schließlich wird heute in der modernen Kunst häufig mit Vorlagen gearbeitet oder damit nach Inspiration gesucht. Andererseits rückt die KI immer näher und wird uns wohl noch mit ähnlichen Fragen weiterhin beschäftigen …
Wie bereits beim Vorgänger lässt sich der Band im Grunde genommen für sich allein lesen. Man benötigt keine Vorkenntnisse aus den vorherigen beiden Büchern.
Leider war dies für mich der schwächste Band der Reihe.
Er hatte gute Ansätze, wirkte auf mich jedoch nicht gründlich genug ausgearbeitet.
Dass Peter Falcon in jedem Buch mehr oder weniger zufällig einer neuen jungen Frau begegnet, deren Charme er (manchmal recht naiv) verfällt und mit der er seine Nachforschungen fortsetzt, wirkt ab dem dritten Band äußerst einfallslos.
Wie beim vorherigen Buch hätte ich mir einen stärkeren thematischen Fokus gewünscht. Spätestens, als es plötzlich um die DDR ging, war mir das zu weit hergeholt.
Dass die eigentliche Geschichte mit dem Nachwort nach nur 171 Seiten abrupt endet, kam sehr unvorhergesehen und wirkte auf mich, als hätte der Autor keine Lust mehr gehabt, weiterzuschreiben. Danach folgt noch eine Novelle von über 50 Seiten, welche Leif Karpe extra für diese Geschichte entworfen hat. Diese rundet zwar das Buch insgesamt etwas ab, ändert aber nichts an meinem Gesamteindruck des Hauptteils.
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FAZIT: Leider der schwächsten Band der Reihe, welcher zwar Fiktion & Realität gekonnt miteinander verknüpft und einige interessante künstlerische Inhalte vermittelt, jedoch wirken die guten Ansätze nicht gründlich genug ausgearbeitet. 3/5 Sterne.