Ganz gewöhnliche Wunder passieren doch
Denn um Harbor Point Cranberries zu retten, wäre ein Wunder nötig.
Und Wunder passierten nur ganz selten. (Seite 27)
Meine Meinung
Nun mag es Wunder nur selten, nach Überzeugung mancher Zeitgenossen gar nicht, geben, aber manchmal gibt es sie eben doch. Im wirklichen Leben wie auch in Büchern. Denn wenn an so früher Stelle im Roman schon auf Wunder Bezug genommen wird, müssen ja praktisch welche passieren. Das müssen ja keine großen oder gar spektakuläre sein, manchmal grenzt es schon an ein Wunder (oder ist eines), wenn sich etwas oder ein Mensch verändert. In der Hinsicht gibt es denn auch etliche Wunder im Verlauf des Buches.
Von Irene Hannon hatte ich vor einiger Zeit die vier Bände der „Lighthouse-Lane“-Reihe gelesen, die ich in sehr guter Erinnerung behalten habe. Auf Grund der Kurzinhaltsangabe bin ich davon ausgegangen, daß die mit diesem Buch beginnende Serie ähnlich sein würde, und meine Hoffnung hat sich erfüllt. Ähnlich bezieht sich dabei nicht darauf, daß einfach die gleiche Handlung mit anderen Figuren erzählt wird, sondern auf den Schreibstil, der auch in schwierigen inhaltlichen Szenen nie ins Düstere oder gar Depressive abdriftet. Die Autorin hat ein Talent dafür, auch ernste Themen so darzustellen, daß selbst in der dunkelsten Nacht noch das berühmte Licht am Horizont erscheint und Hoffnung verspricht. Das Buch wird zum Wohlfühlbuch, und das meine ich jetzt in ausgesprochen positivem Sinne verstanden.
Eine nicht unbedingt übliche Konstellation ist, daß nicht nur die beiden Hauptfiguren - Tracy und Michael - problembeladen sind, sondern mit Michaels Vermieterin Anna mindestens eine weitere ebenso ihren Packen mit sich herumträgt, von dem zu Beginn niemand außer ihr etwas weiß. Zunächst wissen wir Leser nur, daß es in der Vergangenheit Dinge gab, die die Gegenwart mehr als belasten, aber es dauert geraume Zeit, bis diese stückweise enthüllt werden und ein Gesamtbild ergeben. Es wird deutlich, daß zwar jeder seine ganz eigenen Probleme hat, aber erst im Zusammentreffen und -wirken die Entwicklungen in Gang gesetzt, erst dadurch die Energien frei, die es letztlich ermöglichen werden, Veränderungen herbeizuführen und so die Problemlagen aufzulösen.
Dabei läßt sich die Autorin durchaus Zeit mit der Entwicklung, sowohl der Handlung als auch der Figuren. Immer wieder erfahren wir einzelne Puzzleteile, die sich erst nach und nach zu einem Gesamtbild zusammensetzen. Schuld, Vergebung, Selbstzweifel und -vorwürfe sind Themen, die angesprochen und behandelt werden. Es liegt, schon vom Buchrückentext her, auf der Hand, daß Tracy und Michael sich näher kommen. Das geschieht jedoch nicht im Hauruck-Verfahren, sondern so langsam und vorsichtig, wie das im realen Leben bei ähnlichen Voraussetzungen vermutlich auch der Fall wäre, was das Verständnis für die Figuren und deren Entwicklung vertieft.
Geschickt gibt die Autorin immer wieder Hinweise, die aber auch in die falsche Richtung führen können. So klar, wie es einem an bestimmten Stellen erscheinen mag, ist es also nicht, für Überraschungen ist genügend Platz vorhanden. So ist nicht nur der Weg das Ziel, sondern im Verlauf desselben gibt es die eine oder andere nicht unbedingt vorhersehbare Wendung.
Insgesamt gesehen ist es die Autorin wieder gelungen, schwierige Themen in einen Unterhaltungsroman zu packen, ohne dabei den Wohlfühlfaktor zu vernachlässigen. Ein gelungener Start in die (im Original bisher) fünfbändige Reihe. Ich freue mich schon auf die weiteren Bände und werde die sicherlich recht bald nach Erscheinen lesen.
Mein Fazit
In Hope Harbor gehen die Uhren vielleicht etwas langsamer, aber auch hier gibt es genügend Probleme, mit denen sich die Einwohner und Gäste herumschlagen müssen. In freundlichen Farben zeichnet die Autorin das Bild einer Kleinstadt mit seinen Bewohnern, das trotz ernster Untertöne dem Namen Hope (Hoffnung) gerecht wird. Ein Wohlfühlbuch, das Lust auf die kommenden Hope-Harbor-Bände macht.