Der Geist im Antiquariat
Dass Henrietta Hamiltons „Mord in der Charing Cross Road” die Neuauflage eines älteren Werkes ist, hätte man aus dem Cover und dem Vornamen der Autorin beinah schon schließen können – aufgefallen ist es mir aber nicht. Doch mancher „Klassiker“ kommt ja recht frisch daher – gilt das auch für diese Geschichte?
Die Handlung könnte prinzipiell auch in einer neuen Geschichte vorkommen, mit Einschränkungen. Denn das Setting in einem Antiquariat könnte über kurz oder lang schwer nachvollziehbar sein und um ein ebensolches geht es, und zwar eines in der Charing Cross Road, wo Sally arbeitet. Als sie eines Abends noch bei der Arbeit ist, kommt es zu einem Vorfall mit einem Kollegen, Mr. Butcher. Als der am nächsten Morgen mit Messer im Rücken an seinem Schreibtisch gefunden wird, scheint schnell klar, wer der Täter war. Doch so einfach war es wohl doch nicht, denn zum einen sieht der Tote aus, als hätte er einen Geist gesehen und zum anderen verschwinden auch seltene Bücher – auch aus anderen Antiquariaten. Sally glaubt nicht an die einfache Lösung und beginnt mit Johnny auf eigene Faust zu ermitteln …
Dass das Buch im Nachkriegs-London spielt, verleiht ihm einen gewissen Charme: Nur wenige Kunden können sich die teils exquisiten Stücke aus dem Antiquariat leisten, man trägt Hüte, auf Kaminsimsen stehen Mahagoniuhren, „gute alte Zeit“ an vielen Stellen, doch auch Kriegsschäden sind in der Stadt noch zu sehen. Sally ist als patente junge Frau angelegt, die sich nicht eben leicht die Butter vom Brot kratzen lässt – vermutlich eine ihrer Eigenschaften, die sie für Johnny Heldar (den Juniorchef) so attraktiv machen. Daher kommt es ihm in gewisser Weise ganz recht, den Kontakt mit Sally ausbauen zu können, woraus sich auch eine Beziehung zwischen den beiden entwickelt. Die eigentliche Krimihandlung schreitet wie öfters bei neu aufgelegten älteren Krimis eher gemächlich voran, was an atemlose Verfolgungsjagden und blutgetränkte Morde gewohnten Lesern als (zu) langsam erscheinen dürfte. Mir gefiel gerade das, denn hier geht es – abgesehen von den eingeflochtenen übersinnlich anmutenden Elementen – zu wie in einem Logikrätsel. Zu dieser „Entschleunigung“ trägt auch die Sprache bei, die unabhängig von Mahagoniuhren doch erkennen lässt, dass die Autorin aus einer anderen Zeit stammt bzw. Freude am Erzählen hat, kurz „Spaß an Sprache“ hat. Zwar gibt es doch die eine oder andere Länge und einiges dürfte an Miss Marple und dergleichen erinnern (vielleicht auch Ms Fisher), weshalb ich mir hier eine Verfilmung wünschte (in der Zeit des ersten Erscheinens fielen mir einige weibliche Hauptrollenbesetzungen ein), aber wem das liegt, wird nach diesem Reihenauftakt wissen wollen, wie es mit Sally und Johnny weitergeht.